Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
Arbeit für Frieden und Gerechtigkeit
Gastfreundschaft für Flüchtlinge
Leben in Gemeinschaft
Essen, und alle werden satt

von Dietrich Gerstner / März 2008

Geistlicher Impuls zum Aschermittwoch bei der Abendveranstaltung mit Michael Richter im Rauhen Haus.

Als ich mich auf den heutigen Abend vorbereitete, schaute ich, gut evangelisch, in die Herrnhuter Losungen. Dort steht für heute folgendes Wort geschrieben:

„Wenn du nun isst und satt wirst, so hüte dich, dass du nicht den Herrn vergisst.“ (5. Mose 6, Verse 11+12)

Wir stehen am Beginn der Passionszeit, der Fastenzeit – und hier ist vom Essen und Sattwerden die Rede…

Es gab eine Zeit, und die ist noch gar nicht so lange her, da gab es an vielen Orten und für viele Menschen in Deutschland nicht genug zu essen. Der Hunsrück, die Gegend zwischen Rhein und Mosel, ist bis heute relativ dünn besiedelt, weil die Menschen dort im 18. und 19. Jahrhundert scharenweise ihre Heimat verließen: Bauernfamilien erwirtschafteten nicht genug, um sich auf ihrem eigenen Land in Würde ernähren zu können.

In meiner Heimatstadt Pforzheim ist eine Straße nach Carl Schurz benannt, der im 19. Jahrhundert Vizepräsident der USA geworden war. Nach der erfolglosen Revolution von 1848 war er als einer ihrer Anführer festgenommen worden. Bei Nacht und Nebel floh er unter abenteuerlichen Umständen aus dem Gefängnis und musste seine Heimat Baden für immer verlassen.

Deutschland war noch bis Ende des 19. Jahrhunderts von Flucht und Auswanderung geprägt. Zum Teil verließen die Menschen aus schierer Not das Land – Wirtschaftsflüchtlinge werden solche Menschen heute verächtlich genannt, wenn sie aus den Ländern südlich des Mittelmeers zu uns kommen wollen –, zum Teil flohen sie vor politischer Unterdrückung. Zum Teil wanderten sie aus, weil die gesellschaftlichen Umstände in den deutschen Kleinstaaten keine Aufstiegsmöglichkeiten ließen. Enge Standesgrenzen erstickten jede Hoffnung auf Veränderung im Keim. Damals lockten „neue Welten“ in Australien und den Amerikas. Das Museumsschiff „Cap San Diego“ im Hamburger Hafen und neuerdings die „BallinStadt Auswandererwelt Hamburg“ auf der Elbinsel Veddel erinnern in dieser reichen Stadt daran.

Nebenbei wird dort auch erzählt, wie der in Hamburg berühmte Reeder A. Ballin einen guten Teil seines Wohlstands mit seinen HAPAG-Auswandererschiffen verdiente (ein Schelm, wer diesen ehrbaren Bürger einen „Schlepper“ und Fluchthelfer nennen wollte!).

Nur wenige Jahrzehnte später, nach den Schrecken der Nazizeit und des II. Weltkriegs mit seinen Millionen Toten und Flüchtlingen geht es uns in Deutschland im Weltvergleich wirtschaftlich sehr gut – zumindest was die Bilanzen der Banken und Konzerne angeht. Im Bilde des Bibelwortes: Hier wird nicht nur gegessen, um satt zu werden, hier herrscht regelrechte Völlerei. Aber: Wir teilen diesen Überfluss nicht gerne!

Wie jedes Jahr veröffentlichte Hamburgs Innensenator Nagel im Januar in der Ausländerbehörde die Asylstatistik und Abschiebezahlen für das Vorjahr. Seit Jahren dieselbe Tendenz: Immer weniger Flüchtlinge kommen nach Deutschland. Warum? Nicht weil der Zustand der Welt besser geworden wäre, sondern weil unsere Mauern immer höher und die Zäune engmaschiger werden. Die Abwehrmaßnahmen an den EU-Außengrenzen sind so wirksam, dass Flüchtlinge kaum noch legal hierher kommen können. Und doch werden bei weniger als 25.000 Flüchtlingen pro Jahr in diesem Land nur ca. 1 % als politisch Verfolgte direkt anerkannt. Die Kriterien sind so hart, das Verfahren ist für die meisten Flüchtlinge so undurchschaubar, dass eine Anerkennung wie ein „6er“ im Lotto ist! Der Zufall, oder Willkür, scheint über das Los dieser schutzsuchenden Menschen zu regieren.

In welchem Zusammenhang steht die eingangs genannte Losung in der Bibel? In den Versen 5. Mose 6, 10-12 lese ich folgendes: „Wenn dich nun der Herr, dein Gott, in das Land bringen wird, von dem er deinen Vätern Abraham, Isaak und Jakob geschworen hat, es dir zu geben - große und schöne Städte, die du nicht gebaut hast, und Häuser voller Güter, die du nicht gefüllt hast, und ausgehauene Brunnen, die du nicht ausgehauen hast, und Weinberge und Ölbäume, die du nicht gepflanzt hast -, und wenn du nun isst und satt wirst, so hüte dich, dass du nicht den Herrn vergisst, der dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt hat."

Hier wird das Volk Israel an die eigene Geschichte erinnert, an die Befreiung aus dem Unrecht und die Führung in eine bessere Zukunft, die vor allem Geschenk ist. Und so wird dieses Bibelwort für mich konkreter: Wenn du nun isst und satt wirst, so hüte dich, dass Du nicht den Gott Israels, den Gott der Befreiung und der Gerechtigkeit vergisst! Vergiss auch deine eigene Geschichte nicht, dass du selbst ein Flüchtling warst und dass dein heutiger Wohlstand nicht (nur) dein Verdienst ist. Gerade hier in Deutschland haben wir allen Grund, unsere eigene Geschichte der Befreiung und des Neuanfangs, des „Wirtschaftswunders“ und der Bedingungen für unseren heutigen Wohlstand so zu sehen. Darum: Teilt euren Wohlstand, steht ein für Gerechtigkeit hier im Lande und weltweit, öffnet euch für die Fremden.

So kommt für mich das Essen zusammen mit dem „Fasten, an dem ich Gefallen habe: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg! Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut! Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen.“ (Jesaja 58, 6-8).

 

 



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