Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
Arbeit für Frieden und Gerechtigkeit
Gastfreundschaft für Flüchtlinge
Leben in Gemeinschaft
Hier stehe ich und könnte anders?!

Diese bunte Gruppe ist mein Zuhause – hier ein Teil von uns beim Abschied von Baraka.

von Dietrich Gerstner / September 2018

Vom 5. – 7.9. fand in Hamburg jeweils abends eine politische Kunstaktion in Erinnerung an das erste ‚Politische Nachtgebet’ vor 50 Jahren statt. 1968 war es in Köln u.a. von Dorothee Sölle initiiert worden als ein Ort, an dem Gebet und politisches Denken zueinander fanden. Uta und Dietrich Gerstner nahmen an einem der Abende teil und stellten einen Zusammenhang zwischen ihrem Leben und Dorothee Sölle her. Hier der Text von Dietrich Gerstner. Die Abende standen unter dem Motto „Hier stehen wir und könnten anders“.

Ich verstehe das jetzt mal ganz direkt und persönlich: Ja, selbstverständlich könnte ich auch anders bzw. wäre es auch anders möglich gewesen:.Ich lebe mit meiner Familie von einem Taschengeld und gespendeten Lebensmitteln und anderen Spenden; ich habe relativ wenig Privatsphäre, da ich mein Leben mit ca. 20 Menschen aus 10 Ländern teile.

Natürlich hatten meine Eltern, als ich jung war, einen anderen Plan für mich: Junge, denk an Deine Sicherheit, an Deine Zukunft, ja auch an die Rente. Mach was Ordentliches, studiere BWL hier in unserer Stadt, da kannst Du was werden.

Aber es kam anders: Nach Abitur und Zivildienst lebte und arbeitete ich in den 80ern für zwei Jahre in einer Gemeinschaft, die sich zur christlich-anarchistischen Catholic Worker-Bewegung in den USA zählt. Suppenküchen für obdachlose Menschen, Proteste gegen die Todesstrafe und Besuche in den Todeszellen, Demos gegen Ausgrenzung und Armut – dabei auch fromm und christlich sein, und dann sogar noch Spaß haben an solch einem bunten Lebensstil: Diese Erfahrung veränderte mein Leben komplett. Aber dazu gleich mehr.

Dorothee Sölle kam Ende der 70er Jahre in New York auch in Kontakt mit der Catholic Worker-Bewegung und mit ihrer Gründerin, Dorothy Day. Über sie schrieb sie in „Mystik und Widerstand“ (Seite 310): „Auf meiner Suche nach einer Tradition des Widerstands im 20. Jahrhundert bin ich immer wieder auf diese ‚intelligente Güte’ einer mystisch denkenden und lebenden Frau gestoßen, die von vielen Menschen in den Vereinigten Staaten als die amerikanische Heilige des 20. Jahrhunderts angesehen wird, weil sie Frömmigkeit, Pazifismus und freiwillige Armut wie selbstverständlich miteinander verband. Dorothy Day hat Marthas tätiges, organisierendes Leben als Sozialreformerin, Agitatorin, Aktivistin in Streik und Boykott geführt und zugleich - nach ihrer Konversion - das Leben der Maria mit täglichem Besuch der Messe und Zeiten des Fastens, der Kontemplation und vieler Stunden im Gebet.“
Und weiter schreibt sie über Dorothy Day und die CW-Bewegung: „Die Menschen, die sich um Dorothy Day und den "katholischen Arbeiter" scharten, haben Besitzlosigkeit und freiwillig gewählte Armut gelebt in einer Welt, in der Besitz als gutes Recht und das lebenslange Streben nach ihm als selbstverständlich gelten. Dorothy Day und ihre linken Freunde träumten den alten utopisch-sozialistischen Traum, ‚die neue Gesellschaft in der Schale der alten aufzubauen’... Sie wollten schon jetzt - und nicht erst nach einer revolutionären Machtübernahme! - ein anderes Leben verwirklichen, und weder die Gefahren der Slums der nordamerikanischen Städte noch die häufigen Aufenthalte im Gefängnis wegen des zivilen Ungehorsams, den sie ‚göttlichen Gehorsam’ nannten, konnten sie davon abbringen.“

Die Erfahrung solch eines Lebensstils war so inspirierend und sprach mich persönlich so an, dass ich dann doch nicht mehr anders konnte, als dem eingeschlagenen Weg weiter zu folgen – das ist dann wohl die Erfahrung einer Bekehrung, einer Berufung, nach der es keine Frage mehr ist, wohin der eigene Weg gehen sollte.

Glücklicherweise fanden sich noch andere, darunter auch meine Frau Uta, denen es ähnlich ging, so dass wir am Ende als kleine Gründungsgruppe sagen konnten: Hier stehen wir und können nicht anders, als Brot & Rosen zu gründen.

Das war 1996. Das Asylrecht war zuvor so stark beschnitten worden, dass mensch im Nachhinein sagen kann, wir standen damals am Anfang einer Entwicklung, die wir heute sehen: Das Wechselspiel zwischen rechtspopulistischer Rhetorik und der fortschreitenden Einschränkung des Asylrechts, die Abschottung Europas gegen unsere ärmeren NachbarInnen, die Entrechtung und Illegalisierung von immer mehr Geflüchteten und Migrant*innen, Abschiebungen an Orte des Elends und der Gewalt.

Seit 22 Jahren nun leben wir gemeinsam mit Geflüchteten und Migrant*innen aus mittlerweile 60 Ländern zusammen in einem „Haus der Gastfreundschaft“. Wir leben friedlich und gerne mit Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen unter einem Dach und teilen den Alltag miteinander. Über die praktische Solidarität mit den Menschen in unserem Haus hinaus engagieren wir uns in der Flüchtlingsarbeit und für einen nachhaltigen Lebensstil. Und wenn es nottut, sind wir auch zivil ungehorsam („göttlich gehorsam“) - gegen Atomkraft, Rüstungsexporte und für Flüchtlingsschutz.

Wir laden immer wieder zu thematischen ‘Offenen Abenden’ in unser Haus ein. Einmal, vor 20 Jahren, hatten wir auch Dorothee Sölle bei uns als Gastrednerin zur Lesung aus ihrem damals neuen Buch „Mystik und Widerstand“. Im anschließenden Gespräch diskutierten wir ihren Hauptgedanken, dass sich politische Widerstandsarbeit ohne spirituelle Verankerung auf Dauer totläuft bzw. umgekehrt eine mystische Lebensführung in ihrer Konsequenz irgendwann zum Widerstand gegen herrschendes Unrecht führt. Dieser Einsicht folgen wir noch heute.



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