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Leben in Gemeinschaft
Lebenslaute

Mit den grundsätzlich gewaltfreien Aktionen zivilen Ungehorsams in Kombination mit klassischer Musik sucht die Lebenslaute die politische Auseinandersetzung, dieses Jahr rund um den Fliegerhorst Schleswig-Jagel.

Auf dem Fliegrhorst Schleswig-Jagel ist das „Taktische Luftgeschwader 51 Immelmann“ stationiert. Von hier kommen Tornados für den Krieg in Syrien und Irak. Hier werden Drohnenpilot*innen für ihren Einsatz in Afghanistan und Mali geschult. Die Tornados und Drohnen liefern Ziele zur Bombardierung und Zerstörung. Und ab 2019 sollen hier bewaffnete Kampfdrohnen stationiert werden.

von Birke Kleinwächter/ September 2017

Das musikalische Aktionsnetzwerk LEBENSLAUTE (LL) gibt es seit 31 Jahren. 1986 fand in Mutlangen die erste gewaltfreie Musikblockade statt. Jedes Jahr steht seither eine große Konzert-Aktion an einem lebensbedrohenden Ort auf dem Programm (www.lebenslaute.net).

Von Bass bis Sopran – Gemeinsam gegen Rüstungswahn“ war der Titel der diesjährigen Aktion im August am Jagdfliegerhorst Jagel in Schleswig-Holstein, an der ich teilnahm. Die LL entscheidet im Winter, welcher lebensbedrohende Ort im Sommer blockiert werden soll. Ab da laufen die Vorbereitungen: Die Gruppe braucht eine Unterkunft und Orte für Vorkonzert und Aktionskonzert als feste Bestandteile ihrer Sommeraktion.

Im Frühjahr war ich auf die Handzettel für die diesjährige Sommeraktion am Fliegerhorst Schleswig-Jagel gestoßen. Schon lange hatte ich von der LL gehört. Zeit im Sommer hatte ich und es war eine vergleichsweise kurze Anreise. So hatte ich das Gefühl, keine Ausreden zu haben. Eigentlich gehört zu den Sommeraktionen ein Vorbereitungswochenende, an dem ich aber zeitlich verhindert war. Es war sicher auch dem Umstand, dass ich mit der Oboe ein eher seltenes Instrument spiele, zu verdanken, dass ich trotzdem willkommen war im Sommer. Die zunächst spärlichen Emails innerhalb des LL-Netzwerkes wurden zum Sommer hin zahlreicher. Ich konnte mitlesen, dass es schwer war, Quartiersgeber zu finden. Im Nachhinein verstand ich, dass in Schleswig-Holstein viele PastorInnen und KommunalpolitikerInnen nicht mit der Bundeswehr anecken wollen, da sie eine wichtige Arbeitgeberin ist. So war es ein Riesenglück, dass die Basisgemeinde Wulfshagenerhütten (nahe Kiel), eine christliche Lebensgemeinschaft, die wir als Brot & Rosen schon lange kennen, bereit war, die LL zu beherbergen. Sie waren tolle GastgeberInnen. Auch die Tatsache, dass viele LL-AktivistInnen mit Kirche nichts am Hut haben, war kein Problem. Für mich war das Camp an diesem Ort ein besonderes Glück. Als ich nämlich am 15.8. anreiste, fühlte ich mich zunächst fremd, weshalb mir die vertraute Umgebung sehr half.

Von Anfang an erlebte ich eine durchdachte und minutiös vorbereitete Camp-Struktur, die dem parallel herrschenden Gruppenchaos jederzeit Paroli bieten konnte. Ein Empfangskomitee saß da und verteilte Zimmer an diejenigen ohne Wohnwagen oder Zelt (ich war froh, in dieser oft verregneten Woche nicht zelten zu müssen!). Die Logistik des LL-Camps war ausgefeilt: Auf dem Zeltplatz standen die Feldküche, ein überdachter Essensbereich und mehrere Wohnwagen „professioneller“ AktionsunterstützerInnen. Stromkabel, geschützt von einer Kabelbrücke, führten über die kleine Landstraße. Ein Solarkollektor stand ebenfalls bereit, um für Strom zu sorgen. Große Gasbrenner für gigantische Töpfe wurden aufgebaut. Später kamen noch zwei Kompost-Toiletten hinzu. Ich konnte mich schließlich auch nützlich machen beim Einsortieren der Lebensmittel in die Regale der Feldküche und beim Vorbereiten des Abendessens. Es mussten anfangs immerhin 60 bis schließlich 100 Menschen jeden Alters versorgt werden.

Am Abend gab es ein erstes Treffen, wo wir uns kurz und knapp vorstellten und die Wochenstruktur kennenlernten. Jobs wie Hilfe bei der Essensvorbereitung, Streitschlichtung, Pressearbeit etc. wurden verteilt.

Alle Tage waren eng getaktet. Es war eine gleichermaßen inspirierende wie anstrengende Zeit: Begegnungen mit tollen Menschen, viele Chor- und Orchesterproben, Reden und Musizieren in Stimm- oder Bezugsgruppen, Infos zum Veranstaltungsort, zur Aktion u.v.a.m. Selbst die Mahlzeiten waren oft Zeitpunkt und Ort für Arbeitsbesprechungen.

Ich habe selten eine so basisdemokratische und offene Struktur und soviel mir als Neue entgegengebrachtes Vertrauen erlebt: Obwohl ich Neuling war, durfte ich mit zum Pressegespräch oder Ansagen für die Allgemeinheit machen.

Mich beeindruckte, wie viele junge Leute dabei waren und wie selbstbewusst und engagiert sie sich einbrachten. Etliche kamen als ganze Familien. So waren wir eine bunte Mischung von Jung bis Alt.

Am Musizieren hatte ich Spaß, auch wenn manche Proben und vor allem das Vorkonzert in Flensburg sehr anstrengend waren. Das Vorkonzert wurde genauso wie das Aktionskonzert schon lange auf vielen Plakaten in der Region beworben.

Am Samstag verbrachten wir viel Zeit mit Aktionstraining: Wie kommt man in Bezugsgruppen schnellstmöglich zu Entscheidungen? Wie „durchfließt“ man eine Polizeikette? Nicht alles war neu für mich, außer dass ich einmal in die Rolle der Polizei schlüpfte und BlockiererInnen wegtragen musste. Seither beschäftigt mich die Frage, ob ich weniger gut blockiere, wenn ich mich bei einer Räumung gehend abführen ließe statt mich, wie früher, tragen zu lassen.

Das Highlight war der 21.8. In einem ausgeklügelten Abfahrtsplan bewegten sich die verschiedenen Bezugsgruppen in Richtung Einsatzorte, übrigens „Bühnen“ genannt. Jedes zu blockierende Tor war eine „Bühne“ und wir die BühnenarbeiterInnen, MusikerInnen oder auch SchauspielerInnen. Ich war mit am Haupttor, wo uns zu noch dunkler Frühe bereits die Polizei und der Sicherheitsdienst der Bundeswehr erwarteten. Erwartungsgemäß wurde das Haupttor sofort geschlossen und blieb zu, solange wir da waren, also bis nach dem Aktionskonzert, unserem Abschlussplenum und dem Abbau. Ein Zufahrtstor in der Nähe des Ortes Jagel wurde dagegen mehrere Male geräumt. Wir sangen und spielten stundenlang. Regen und Sonne, Kälte und Wärme, Spaß und Müdigkeit, Hunger und Gespräche wechselten sich ab. Irre, wie die Zeit verging. Zwischendurch erfreute uns, dass jemand in den Nachrichten gehört hatte, dass wegen unserer Blockade keine Starts und Landungen von Tornados in Jagel stattfanden. Wir endeten mit dem Aktions-Konzert vor einer erfreulich großen ZuhörerInnengruppe. Beim Abschlussplenum ließ die Bundeswehr zwei Tornados starten. Ich verstand, dass diese fliegenden Waffen nicht nur Tod bringen können und total überteuert, sondern offensichtlich über jede Lärmschutzregelung erhaben sind.

Für mich war es bei aller Anstrengung eine grandiose Zeit. Ich konnte spüren: Gewaltfreier Widerstand hat eine große Kraft. Ich wünsche allen Menschen, gerade aber auch jungen, so etwas einmal selber zu erleben.



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