Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
Arbeit für Frieden und Gerechtigkeit
Gastfreundschaft für Flüchtlinge
Leben in Gemeinschaft
Eine Sommerreise zu den Catholic Workern in den USA

Manuel: Wenn Du den Frieden willst, arbeite für Gerechtigkeit

Anne bei der mobilen Essensausgabe in Los Angeles

Wöchentliche Guantanomo-Mahnwache vor dem Weißen Haus

von Anne Beyer-Rogers / Dezember 2013

Anne und Manuel Beyer haben diesen Sommer verschiedene Catholic Worker Gemeinschaften in den USA besucht. Anne berichtet uns von ihren Erfahrungen.

Nun sind schon einige Monate vergangen, seitdem wir von unserer großen USA-Reise zurückgekommen sind, und trotzdem fühle ich mich weiterhin sehr verbunden mit all den Menschen, denen wir in den Catholic Worker Häusern be-gegnet sind. Für mich ist es etwas ganz Besonderes gewesen, erleben zu dürfen, dass ich Teil einer großen Gemeinschaft bin, die sich über mehrere Länder und sogar Kontinente einander verbunden fühlt. Schon bei unserer Reiseplanung von Deutschland aus fühlten wir uns geschwisterlich behandelt und durften erfahren, dass wir als „Catholic Worker from Germany, Hamburg“ ganz selbstverständlich in ihre Häuser aufgenommen wurden. Ich persönlich bin nicht so ganz glücklich über den Namen unserer Bewegung. So kommen mir beim Begriff „Catholic Worker“ Assoziationen wie verstaubt, katholisch, konservativ, fromm und ähnliches. Auf jeden Fall stelle ich mir nicht diese unglaublich leidenschaftlichen, hoch politischen, systemkritischen, sozial engagierten, anarchistischen, weltoffenen und herzlichen Menschen vor, wie ich sie in den Catholic Worker Häusern kennengelernt habe. „Häuser der Gastfreundschaft“ passt da viel besser für mich. Allerdings hat sich für mich durch die Begegnungen mit den Menschen mein Verhältnis zu dem Namen Catholic Worker eindeutig positiv verändert.

Es gibt einen bestimmten Geist, der alle Catholic WorkerInnen prägt, und trotzdem sind die Gemeinschaften, die wir kennengelernt haben von der Anzahl und der Art der Mitglieder so verschieden wie das Engagement, dem sie sich widmen.

Die erste Gemeinschaft, die wir besucht haben, lebt in Philadelphia in einem völlig verarmten Stadtteil. Sie besteht aus einem Frauenpaar mit zwei adoptierten Söhnen von den Phi-lippinen. Johanna und Mary Beth sind beide Krankenschwestern und betreiben eine sogenannte „Free Clinic“. Da mussten wir natürlich gleich an unsere Mitbewohnerin Chris-tiane denken, die sich auch als Krankenschwester im Medi-büro engagiert und dort Menschen ohne Papiere medizini-sche Versorgung ermöglicht. In den USA können sich viele Menschen keine Krankenversicherung leisten und haben kein Geld, um die Arztkosten zu bezahlen. So besuchen hauptsächlich obdachlose Menschen die Free Clinic. Die Warmherzigkeit und der Umgang von Johanna und Mary Beth mit ihren PatientInnen haben mich sehr berührt. Manuel und ich haben es genossen, mit den Menschen in der Warteecke zu sitzen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Nachdem ich auf dem Weg zur Free Clinic etwas eingeschüchtert war von einigen Gestalten, die voll mit Drogen am Straßenrand rumtorkelten, fand ich es umso befreiender mit den obdachlosen Menschen, die mir einige Minuten zuvor vielleicht noch unheimlich erschienen wären, in nette Gespräche verwickelt zu werden. Da Johanna und Mary Beth, so wie alle Catholic Worker, kein Geld für ihre Arbeit in der Free Clinic bekommen, sind sie auf Spenden angewiesen. Direkt neben der Free Clinic gibt es eine Suppenküche, die von Franziskanern betrieben wird, und so können sie dort Nahrungsmittel für ihre Familie abholen.

Nach einigen Tagen führte uns unser Weg weiter zum Dorothy Day House nach Washington D.C. Dort leben neben den derzeit vier Gemeinschaftsmitgliedern drei bis fünf alleinerziehende Mütter aus Lateinamerika mit ihren Kindern. Neben einer wöchentlichen Essensausgabe für obdachlose Menschen und dem Verteilen von Kleidung und Grundnahrungsmitteln für Familien in der Nachbarschaft, gibt es ein großes Engagement in der Anti-Kriegsarbeit. Michael, ein Gemeinschaftsmitglied, ist aufgrund einer Anti-Atomwaffen-Aktion noch immer im Gefängnis. Mit einer 83-jährigen Nonne und einem anderen Mann hat Michael den Zaun einer Atomwaffenanlage durchtrennt und auf dem Gelände gegen Atomwaffen demonstriert. Den drei FriedensaktivistInnen drohen nun 30 Jahre Haft, weil sie angeblich die nationale Sicherheit der USA gefährdet haben sollen. Es ist unfassbar, dass so eine absurde, unverhältnismäßige Strafe tatsächlich möglich ist, während die Regierung Menschen ohne Gerichtsverfahren seit 12 Jahren in Guantanamo gefangen hält und foltert. 160 Männer sitzen dort ohne jede Anklage, ohne Gerichtsverfahren, ohne Verurteilung. 80 von ihnen sind sogar seit vier Jahren zur Freilassung vorgesehen. Aber heute, vier Jahre später, sind sie immer noch da und es bleibt offen, wann sie aus diesem menschenverachtenden System der Folter und Demütigung entlassen werden. Die Gemeinschaftsmitglieder halten seit Jahren mit weiteren FriedensaktivistInnen wöchentlich vor dem Weißen Haus und dem Kapitol eine Mahnwache und fordern die Schließung von Guantanamo. Die Lebensgeschichten der Guantanamo-Gefangenen, die bei der Mahnwache erzählt wurden, haben Manuel und mich sehr berührt. Außerdem fordern die Catholic Worker die Regierung bei den Mahnwachen auf, die vielen Kriegseinsätze zu beenden. 60 % der US-Steuergelder werden nämlich für Militärausgaben verwendet, während für Gesundheit, Bildung, Landwirtschaft etc. nur mickrige Plus/Minus 5 % bleiben. Ein ehemaliger General der US-Armee sagte einmal über die FriedensaktivistInnen: „Lass sie marschieren so viel sie wollen, solange sie weiterhin ihre Steuern zahlen.“

Und dementsprechend rufen die Catholic Worker dazu auf, keine Steuern mehr zu zahlen, denn nur mit dem Steuergeld der Bevölkerung sind überhaupt solche wahnsinnigen Kriegseinsätze möglich. Der wohl berühmteste Spruch von Dorothy Day, der Begründerin der Catholic Worker Bewegung, lautet passend dazu: „Unsere Probleme stammen von der Akzeptanz dieses verrotteten, verdorbenen Systems.“ Und aufzustehen gegen dieses System und seine soziale Ungerechtigkeit, den Entrechteten und Entmündigten eine Stimme zu geben, das Leben mit Menschen zu teilen, die in unserer Gesellschaft keinen Platz bekommen sollen, das ist die Mentalität, die die Catholic Worker in den USA ausmacht. Dorothy Day würde schlicht sagen: „Lebe einfach, damit andere einfach überleben können.“

Zu erleben, wie unsere Catholic Worker-Geschwister ihr Leben dieser Aufgabe widmen, sogar bereit sind, dafür ins Gefängnis zu gehen, hat mich zutiefst bewegt. Mindestens genauso beeindruckend und begeisternd war es für mich zu sehen, dass die Catholic Worker total reich beschenkt sind durch ihren einfachen Lebensstil, dass sie trotzdem alles haben, was es zum Leben braucht. Und sie sind weder Heilige noch Asketen, sondern ganz normale Menschen mit Ecken und Kanten und Launen.

Nachdem wir dann in New York das Gründerhaus mit seinen über 20 MitbewohnerInnen, davon ca. die Hälfte einst obdachlose Menschen, kennengelernt hatten, sind wir von dort nach Los Angeles geflogen. Die Gemeinschaft der L.A. Catholic Worker hat mir am besten gefallen. Denn hier gibt es ein großes Suppenküchenprojekt. Im ärmsten Stadtteil von L.A. lassen die Catholic Worker mit Hilfe von jeweils 20-30 Freiwilligen drei Mal die Woche 500-800 Essen über den Tresen gehen. Ende des Monats können es wohl auch mal 1000 Essen sein. Es wird dort besonderer Wert auf einen respektvollen, freundlichen Umgang mit den Menschen gelegt, die zum Essen kommen. Das ist atmosphärisch gleich spürbar gewesen. Der schön gestaltete Garten mit vielen bunten Mosaiken und Bäumen, wo das Essen dann gegessen wird, trägt sicher auch seinen Teil dazu bei. An zwei weiteren Ta-gen der Woche verteilt die Gemeinschaft an einer Straßenecke Haferbrei, Kaffee, Obst und Kuchen aus ihrem Klein-bus. Ich habe bei den Essensausgaben sehr schöne Begeg-nungen mit den Menschen gehabt und gespürt, wie gut es mir tut, meine Berührungsängste zu überwinden und den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen.

Am 4. Juli, dem Tag der Unabhängigkeitserklärung der U-SA, haben wir alle zusammen den Film über Sophie Scholl geschaut. Manuel und ich waren beeindruckt, wie gut sich alle mit der deutschen Widerstandsbewegung während der Nazizeit auskannten. Wir wurden gefragt, welche Bücher wir denn von Dietrich Bonhoeffer bereits gelesen hätten und ob Franz Jägerstetter (Hilfe, wer ist das? Ich erfuhr dort, es war ein österreichischer Widerstandskämpfer der Nazizeit) denn auch in Deutschland als Held gefeiert wird. Die Mischung zwischen Spiritualität, Christsein und sozialpolitischem En-gagement wurde im L.A. Worker House für uns durch den kleinen Hausaltar besonders sichtbar: Dort standen neben zwei handgemalten Ikonen Fotos von Edward Snowden, Bradley Manning und Franz Jägerstetter. Alles Menschen, die nicht länger bereit waren, weg zu schauen und das Un-recht mitzutragen und die dafür sogar ihr Leben riskierten.

Wir haben in den Wochen verschiedenste Menschen und Gemeinschaften kennengelernt, haben vieles dazu gelernt, Erfreuliches und Unerhörtes erfahren, schöne Momente miteinander geteilt. Wir wurden inspiriert und bereichert, sodass wir sehr dankbar dafür sind, dass wir diese Reise machen konnten. Und wenn ich an die Demonstration für die Rechte der Lampedusa-Flüchtlinge am 2.11.13 denke, dann macht es mir Mut, dass auch in Hamburg tausende Menschen nicht länger bereit sind, das „verrottete und verdorbene System“, das Menschen in Not nicht helfen will, zu akzeptieren.



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