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Camp 08

„Tag gegen Abschiebungen“: MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde bekommen typische Packtaschen zur Verfügung gestellt, um ihre eigene Ausreise vorzubereiten.

Jessica lebt seit Juli bei B&R.

von Jessica Drews / September 2008

Vom 16. bis 24. August fand hier in Hamburg das bundesweite AntiRassismus-Camp gemeinsam mit dem Klima-Camp statt, das wir bereits gespannt herbeigesehnt hatten.

Trotz der sommerferienbedingt reduzierten Besetzung im Haus hielt die Gemeinschaft nichts davon ab, sich auf verschiedene Weisen bei der antirassistischen Aktionswoche einzubringen: Christiane und Ilona waren bei Vorträgen und Demonstrationen, Elisabeth schnippelte für die hungrigen Massen (etwa 700 an der Zahl) veganes Essen in die riesigen Kessel, und ich schlug mein Zelt auf dem Luruper Campplatz auf, wo ich nach meinem abendlichen Thekendienst direkt in die Koje fallen konnte. Tagsüber hatte ich Zeit, bei den Aktivitäten dabei zu sein.

Beim „Global Pass Fest“ im Stadtpark war Brot & Rosen bei strahlendem Sonnenschein vertreten. Den ganzen Nachmittag über gab es eine Fußballmeisterschaft bunt zusammengewürfelter Teams, während alle FestbesucherInnen die Möglichkeit hatten, mit der Ausstellung eines globalen Reisepasses ein Zeichen für unbegrenzte Bewegungsfreiheit zu setzen. Schön, zu erleben, dass auf diesem friedlich-bunten Parkfest die Vision des verstorbenen Hamidur weiterlebte. Unser schattiger Stand fand regen Zulauf bei den BesucherInnen und FußballspielerInnen. Man muss der Ehrlichkeit halber zugeben, dass wir die ersten waren, deren Tisch reich gedeckt war mit leckersten arabischen und deutschen Snacks, die in einer riesigen Backaktion am Vortag entstanden waren. Unser Mitbewohner André zeigte spontan vollen spielerischen Einsatz für das Team „St. Pauli“ und genoss die sozialen Kontakte. Es gab Puppentheater, Stände verschiedener Initiativen Hamburgs für und von Flüchtlingen und zufriedene Gesichter, die sich der sonnigen Stimmung erfreuten.

Mittwochnachmittag nahm ich an einem Workshop zur Verknüpfung von Klimawandel und Fluchtursachen teil, der in einem kleinen Zirkuszelt auf dem Campgelände stattfand. Es waren Vertreter der andalusischen LandarbeiterInnengewerkschaft SOC-SAT, des Zukunftsrats Hamburg und der Nordelbischen Kirche dabei. Besonders beeindruckte mich Victor Nzuzi Mbembe, der sich – selber Landwirt im Kongo – für die Kleinbauernorganisation „Via Campesina“ weltweit engagiert. Der Mann war mir sympathisch, weil er voller Energie und sehr anschaulich (untermalt mit krakelig-lustigen Skizzen!) Geschichte und Lage im Kongo, die wirtschaftlichen Zusammenhänge des Landes mit den Industriestaaten und das Dilemma einseitiger Abhängigkeiten darstellte. Er ist ein Mann des „Anpackens“, er ist konkret und seine Darstellungen sind greifbar. Immer wieder betonte er die Notwendigkeit des Aktivwerdens, des Zuviel an leeren Diskussionen. Leider fiel der Teil zur Entwicklung von Lösungsstrategien für mich eher unbefriedigend aus. Der Fokus lag eindeutig bei der Darstellung des nicht hinnehmbaren Status Quo.

Beim anschließenden Thekendienst verbreitete sich die Nachricht, dass am Nachmittag dreißig maskierte Personen in das Bezirksamt Nord (Eppendorf), Bereich für Ausländerangelegenheiten, eingedrungen waren. Dort hatten sie in den Büros Computer und Glastüren kaputt geschlagen. Personen waren nicht angegriffen worden. Auch wenn niemand wusste, wer genau dort agiert hatte, wurde eine Verbindung zur Aktionswoche campintern nicht angezweifelt.

Im Laufe der Woche tauschten wir uns in der Gemeinschaft am Küchentisch immer mal wieder über unsere Empfindungen zur Gewaltbereitschaft innerhalb des Camps aus. Gewalt, die in der Luft greifbar ist, Gewalt gegen Sachgegenstände, Gewalt in Form verbaler Angriffe, Gewalt im Sinne von Gewalttätigkeit. Mein Erleben der häufig positiven Resonanz der Camp-TeilnehmerInnen auf Übergriffe, wie z.B. jener auf das Bezirksamt Nord, verdeutlichte mir, dass dies nicht mein Weg des Widerstands und des Einsatzes für mehr Gerechtigkeit für Flüchtlinge ist. Für mich sind alle Formen von Gewalt destruktiv. Gewalt wird nicht durch ihre Anwendung weniger und sogar überwunden, sondern Gewalt ruft stets neue Gewalt hervor und bietet somit keine Lösung. Im Verlauf der Woche stand für mich diese Stimmung der Gewaltbereitschaft zunehmend in Spannung mit den fantasievollen und friedlichen Aktionen des Camps.

Am Freitag fand das Highlight der AntiRa-CamperInnen statt: Fluten 3.0 des Hamburger Flughafens. Ein Demonstrationszug zog von der S-Bahn-Station Ohlsdorf bis kurz vor den Flughafen. Auch Flüchtlinge mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus (z.B. von der Karawane-Gruppe München) zeigten hier Gesicht und gingen mit riesigen Bannern wie „Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört“ vorneweg. Die DemonstrantInnen waren aus den eigenen Reihen aufgefordert worden, die Konfrontation mit der Polizei nicht zu suchen, um die Flüchtlinge nicht zu gefährden. Doch Christiane und ich, mitten im Demozug, bemerkten mit unwohlem Gefühl die vielen schwarz gekleideten TeilnehmerInnen und die oftmals aggressiven Parolen wie „Feuer und Flamme den Abschiebebehörden!“. Ilona war dann eine, die zu anderen Parolen ermutigte und sang „No border, no nation, stop deportation!“. Der Zug musste einige Male anhalten, weil sich hochaufgerüstete Polizisten und der „schwarze Block“ gegenüber standen. Es kam nicht zu Auseinandersetzungen, doch die Luft war erfüllt von Spannungen. Bei mir stieß das auf Unverständnis, und es machte mich traurig, dass der Anlass der Demonstration für eigene Zwecke missbraucht wurde und mensch sich darüber hinaus der Verantwortung den Flüchtlingen gegenüber entzog.

Insgesamt hatte das Camp verschiedene Gesichter. Da waren einerseits Menschen, deren Weg ein gewaltbereiter ist, deren Aktionen schockierten und Angst machten. Andererseits friedvolle, kreative Menschen aller Altersgruppen, die durch Workshops, Diskussionen und farbenfrohe Aktionen nach Wegen und Möglichkeiten des gemeinsamen Lebens in dieser Welt suchten. Das Camp bot die Chance, sich ausführlich über ein breites Spektrum von Themen zu informieren und auszutauschen, sich auf vielfältigste Weise gemeinsam auszudrücken und somit die Öffentlichkeit mit den eigenen Anliegen zu erreichen.



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