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Wo ist Dein Bruder, wo Deine Schwester?

Italienische RechtsanwältInnen (Mitte) berichten bei einer gut besuchten Veranstaltung im August zu „Lampedusa in Hamburg“ über die systemischen Mängel in der italienischen Aufnahme von Flüchtlingen und plädieren für ein faires europäisches Asylrecht.

von Manuel Beyer / September 2013

An den Außengrenzen des europäischen Wohlstandes macht Papst Franziskus auf das Elend der Geflüchteten aufmerksam. Alle Zitate im Text stammen aus der Predigt beim Gottesdienst auf der Insel Lampedusa am 8.7.2013.

Die erste Reise eines neuen Papstes verrät oft einiges über seine Anliegen: Johannes Paul II. reiste nach Polen und widmete sich fortan dem Ende der totalitären Diktaturen. Benedikt der XVI. besuchte eine Gelehrten-Tagung und blieb mit Leidenschaft ein theologischer Autor. Und der neu gewählte Franziskus? Seine erste Reise führt ihn an die Außengrenzen des europäischen Wohlstandes. Er liest in der Zeitung von den tödlichen Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer und ist persönlich berührt, ihre Schicksale dringen ihm „wie ein Leid bringender Stich ins Herz“. Er möchte eine Geste der Nähe setzen und mit den Menschen auf Lampedusa beten. Er spürt, dass er herkommen muss.

Die in Europa weit verbreiteten Haltungen zu den Geflüchteten beschreibt er dann in dreifacher Weise: Sie sind die Fremden, die unser Leben und un-ser Wohlbefinden stören. Zudem fühlt sich niemand für sie verantwortlich: ‚Es ist doch nicht unsere Aufgabe‘. Und schließlich haben wir uns „an das Leiden des anderen gewöhnt, es betrifft uns nicht, (…) es geht uns nichts an!“

Gegen diese „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ rüttelt er mit biblischer Stimme unsere Gewissen wach, erinnert uns an die uralten Erfahrungen von Kain und Abel: Wo ist dein Bruder, wo deine Schwester, fragt Gott. „Das ist keine Frage, die an andere gerichtet ist, es ist eine Frage, die an mich, an dich, an jeden von uns gerichtet ist. Diese Brüder und Schwestern von uns suchten (…) ein wenig Sicherheit und Frieden, sie suchten einen besseren Ort für sich und ihre Familien, doch sie fanden den Tod.“ Und die, die es lebend über das Meer und tausende von Kilometern schaffen, wie oft finden sie kein Verständnis, keine Aufnahme, keine Solidarität. „Und ihre Stimmen dringen bis zu Gott!“

Weinst du? Berührt dich die Not deiner Geschwister? Wer weint über den Tod der jungen Mütter und ihrer Kinder, wer leidet mit den jungen Männern, die ihre Familien ernähren wollen?, so fragt uns Franziskus. Er bittet um Vergebung und um Tränen des Mit-Leidens. Dass sie unsere betäubten Herzen lebendig machen. Und er bittet um Vergebung für alle, die – durch ökonomische und politische Entscheidungen – Situationen schaffen, die zu solchen tödlichen Dramen führen.

Franziskus möchte „eine arme Kirche und eine Kirche für die Armen“: Sein Hirtenstab und der Kelch im Gottesdienst auf Lampedusa sind aus Holz gefertigt, aus den Resten einer Todesbarke im Mittelmeer. Er wünscht sich eine Kirche an der Seite der Armgemachten, die für Gerechtigkeit und Solidarität einsteht. Franz von Assisi berührte damals den Aussätzigen, vor dem sich die Leute ekelten. Der Papst ist nun nach Lampedusa zu den Aussätzigen der Gegenwart gereist.

Ich halte diese erste Reise des neuen Bischofs von Rom für eine sehr symbolische, die er nicht zufällig gewählt hat: Er reist an die Außengrenzen des europäischen Wohlstandes und macht dort die Unsichtbaren sichtbar. Die Armgemachten unserer globalisierten Welt: die Opfer unseres imperialen Wirtschaftens, die Verfolgten unserer Kriege, die Überlebenden unserer Naturkatastrophen, die Opfer unserer Diktaturen und Regime. In dem immer wieder neuen Versuch, Jesus von Nazareth nachzufolgen, stellt er sie in unsere Mitte, macht sie für alle sichtbar und bittet, uns vom Leiden und Sterben der Geflüchteten berühren zu lassen. Er bittet im biblischen Sinne um Umkehr, die zu einem neuen Handeln führt: Er bittet zum einen um Tränen gegen unsere innere Gleichgültigkeit und zum anderen um Solidarität gegen unsere gesellschaftliche Abschottung. Gegen die gefühlte Anonymität einer globalisierten Welt erinnert er Europa und seine BewohnerInnen an ihre persönliche und politische Verantwortung. Denn die Europäische Union wurde nicht zum Schutz der Grenzen sondern zum Schutz der Menschen gegründet.

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INFO: Die Insel Lampedusa gehört zu Italien und befindet sich 130 Kilometer vor der tunesischen Küste. Die nur etwa 20 Quadratkilometer große Insel ist seit vielen Jahren Ziel von Menschen auf der Flucht. Von 1999 bis 2012 sind über 200.000 Menschen auf Lampedusa angekommen. Nach Schätzungen kamen in den vergangenen 25 Jahren rund 20.000 Menschen bei der oft gefährlichen Überfahrt in wenig seetauglichen Booten ums Leben. Auch am Tag des päpstlichen Be-suches auf Lampedusa landete dort ein Boot mit 166 Migrant_innen.

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Interreligiöse Notiz: Papst Franziskus grüßt am Beginn seiner Predigt auf Lampedusa die „geschätzten muslimischen Immigranten, die heute Abend das Fasten des Ramadan beginnen“ und wünscht ihnen „reiche geistliche Früchte. Die Kirche ist euch nahe auf der Suche nach einem würdigeren Leben für euch und eure Familien.“



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