Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
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Leben in Gemeinschaft
Parkplatz gesucht

„Einmal richtig abschalten“ – Brot & Rosen bei der Anti-Atom-Demo in Berlin.

von Birke Kleinwächter / September 2009

Ich beobachte eine adrette junge Frau mit schickem Sportrad, wie sie ihr Parkplatzgesuch an einem Ampelmast befestigt. Darüber hängen zwei Wohnungsgesuche, die durchscheinen lassen, dass es am Geld nicht mangeln wird.

„Parkplatz gesucht!“ – Was für ein Luxus, denke ich. Und denke an die Menschen in unserer Hausgemeinschaft, die 68jährige Lettin, die zu arm ist, mehr als ein Zimmer zu finanzieren. Doch wer würde sie aufnehmen? Oder die junge Iranerin, die – welche Freude – erfolgreich war mit ihrem Asylantrag und nun Wohnung und Arbeit bzw. eine Ausbildung sucht in Hamburg. Die junge Kenianerin mit ihrem 6 Monate alten Baby, das „deutsch“ ist, weshalb man auch die Mutter nicht abschieben darf. Doch einen Wohnungsanspruch hat sie deswegen noch lange nicht.

Für wen haben wir selber Platz? Diese Frage hat uns viel beschäftigt in den vergangenen Wochen und Monaten. Zwei Familien leben bei Brot & Rosen und haben ihren Raumbedarf um je ein Zimmer erweitert, um den familiären Erfordernissen gerecht zu werden (Rückzugsraum und individuelle Entfaltung der Kinder). Dies sind Zimmer, die „fehlen“ für Freiwillige oder Flüchtlinge. Immer wieder kommen wir in diesem Haus an die Grenzen, weshalb das Thema einer räumlichen Veränderung unablässig mitschwingt. Es ist weit von einer Konkretisierung entfernt, bleibt aber als Idee beharrlich erhalten. Wer also ein GROSSES Haus in Hamburg für uns weiß, kann sich gerne melden!

Für wen finden wir Platz bei anderen? Über den Sommer hatten sowohl unser Haus der Gastfreundschaft als auch die Gästewohnung der Nordelbischen Kirche, wo ebenfalls Flüchtlinge auf Zeit mitleben können, „Urlaub“ und waren nicht offen für neue Flüchtlinge. Pech für die, die in diesen sommerlichen Wochen anfragten. Und wir waren und sind traurig, dass es so wenige Orte gibt, wo Menschen sich hinwenden können, wenn sie vorübergehend ein Obdach brauchen oder eines für einen anderen Menschen suchen. Wir fänden es schön, wenn  zum Beispiel Kirchengemeinden (wieder mehr) darüber nachdenken, was für sie Gastfreundschaft konkret bedeutet und ob sie zum Beispiel eine Art „Sommerasyl“ bieten könnten.

Als Gemeinschaft stellt sich uns immer wieder die Frage, wie viel wir tatsächlich tun können. Mit jeder neuen Anfrage für einen akut in Not geratenen Menschen fragt mindestens eine/r aus unserer Gruppe, ob eine kurzfristige „Notaufnahme“ nicht doch möglich wäre, auch dann, wenn das Haus schon voll ist. Doch die Erfahrung über die vielen Jahre des Bestehens hat uns auch gelehrt, die eigenen Grenzen bescheiden anzuerkennen. Die Mitte unserer Arbeit ist die gelebte Gastfreundschaft. Um diese Aufgabe, dieses Ziel herum gucken wir auf die eigenen Bedürfnisse und Möglichkeiten. Und so kann es kommen, dass der Schutz unserer eigenen Familien einen höheren Stellenwert kriegt als die Aufnahme möglichst vieler Flüchtlinge.
Oder dass ein Gemeinschaftsmitglied eine eigene Wohnung bezieht und in anderer Weise das Leben der Hausgemeinschaft mitgestaltet.

Faktisch ist es so, dass unser Haus sich nach der Sommerpause schnell wieder füllte. 19 Menschen zwischen 6 Monaten und 68 Jahren leben nun wieder unter einem Dach. Mit unserer iranischen Mitbewohnerin Maral feierten wir am vergangenen Wochenende eine Party aus Freude über das gewährte Asyl. Ein genauso beglückender wie seltener Anlass, wobei wir spannenderweise diese Freude gleich zweimal innerhalb von 10 Monaten mit Mitbewohnerinnen teilen durften. Man könnte das als statistisches Wunder bezeichnen. Zur Erläuterung: Die Hamburger Ausländerbehörde führt als Erfolge die Abschiebezahlen an, nicht etwa die Zahl der erfolgreich integrierten Menschen oder Einbürgerungen.

Beim ersten Offenen Abend nach der Sommerpause berichtete Simon Kleinwächter von seinem Freiwilligen-Dienst in der Flüchtlingssiedlung in Imvepi, Uganda. Der Umgang mit Flüchtlingen dort – sie sind bis auf das Wahlrecht Ugandern gleichgestellt – kam allen BesucherInnen dieses anregenden Abends wie das Paradies für Flüchtlinge vor (s. auch sein Artikel auf S.5): Integration statt Ausgrenzung bei gleichzeitiger Bereitstellung einer Grundversorgung, die aber nicht ohne die Eigenleistung der Flüchtlinge auskommt. Sie kriegen z.B. in nicht ausreichendem Maße Lebensmittel zur Verfügung gestellt, dafür aber auch Land, das sie bewirtschaften können und dessen Ertrag sie zur Selbstversorgung und zum Verkauf verwenden können. Warum das in Uganda so anders ist, fragten wir natürlich: Uganda liebt die Gastfreundschaft, war die einfache Antwort.

Das wiederum können wir, die bei Brot & Rosen leben und arbeiten, sehr gut verstehen und bestätigen. Wer Gäste einlädt, lädt das Leben ein, lädt die Welt ein.

Anfang August, in der Höhe des Sommers, lief in der ARD eine Reportage über uns. Der Aspekt, wie viel wir selber von gelebter Gastfreundschaft profitieren, wurde vielleicht nicht so deutlich, aber es entstand ein feines Bild von der Situation zweier Mitbewohnerinnen und wie wir als Gemeinschaft versuchen, das Leben in so einem besonderen Haus zu ge­stalten. Wir kriegten sehr viele ermutigende Reaktionen hinterher, auch Hilfsangebote, von Leuten, die noch nie von uns gehört hatten, aber natürlich auch von FreundInnen, Bekannten und Verwandten. Wir wissen, dass wegen der Urlaubszeit viele den Film nicht gesehen haben. Wer noch Interesse hat, kann dies im Internet nachholen. Unter dem Filmtitel „Mein Haus ist dein Haus“ findet man ihn in der ARD-Mediathek. Außerdem können wir Kopien vom Film machen und verschicken. Wir freuen uns auch auf den Offenen Abend am 3. November mit dem Filmemacher Hauke Wendler, wo Gelegenheit besteht, den Film gemeinsam zu gucken und Fragen zu stellen.

Enttäuscht sind wir darüber, dass sich die Bauarbeiten ums und im Haus so hinschleppen. Noch immer stehen einige Gerüste da, noch immer wissen wir nicht, wann es plötzlich sehr laut wird, noch immer sieht der Garten wüst aus. Auch gab es eine Reihe von Bauschäden, insbesondere durch eindringende Feuchtigkeit, die z.T. behoben wurden, z.T. aber noch nicht.

Wie gut war es, dass mit Michael Meichsner aus Köln, von Beruf katholischer Gemeindereferent, auch ein versierter Handwerker ins Haus kam, der uns bei notwendig gewordenen Renovierungsarbeiten tatkräftig mithalf.

Last but not least ist es schade, dass der aufwändige Umbau nicht genutzt wurde, um Solarkollektoren auf dem Dach zu installieren.

Denn endlich ist die öffentliche Aufmerksamkeit gerade bei einer gesellschaftlichen „Großbaustelle“ angekommen: der Umgang mit dem nicht vorhandenen Atommüllendlager in Deutschland bei anhaltender Atommüllproduktion. Wir empfinden es als Skandal, ungeeignete Salzstöcke zu einem Endlager zu erklären. Deshalb gingen die einen von uns in Hamburg im Rahmen einer sehr spaßigen und kreativen „Endlagersuche“ als „StrahlenschutzexpertInnen“ auf die Straße, die anderen bei der bundesweiten, nicht minder farbenfrohen und ideenreichen Demonstration in Berlin. Ermutigend ist der breite Widerstand. Wacht auf!, rufen wir denen zu, die die strahlende Gefahr weiterhin unterschätzen. Selbst der Senat der Stadt Hamburg bereut seinen Verkauf der Hamburger Elektrizitätswerke an den privaten Konzern Vattenfall, der mit dem Betreiben von Atomkraftwerken ganz offensichtlich überfordert ist. Seit neuestem gibt es nun den Anbieter „Hamburg Energie“ – vielleicht ist das ja für diejenigen, die immer noch nicht zu einem ökologisch verantwortungsbewussten Stromanbieter gewechselt haben, die richtige Alternative.

„So stecken sie ihre Überzeugungen in Briefumschläge und verschicken sie (…) an eine Welt, die sie besser machen wollen, und sei es nur ein bisschen.“ So endet die Fernsehreportage über uns. In diesem Sinne wünschen wir Freude und Anregung beim Lesen dieses Rundbriefes!



Mittragen

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Mitleben

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