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Abschiebehaft Holstenglacis

Kreuzweg 2002 vor dem Gruner+Jahr-Gebäude

 

von Fanny Dethloff / Juni 2002

Zum dritten Mal haben wir mit anderen zusammen einen politischen Kreuzweg für die Rechte der Flüchtlinge veranstaltet. Dieses Jahr führte uns der Weg quer durch den Stadtteil St.Pauli. Stellvertretend für einen Bericht drucken wir im Folgenden den Text ab, den die neue Flüchtlingsbeauftragte der Nordelbischen Evangelischen Kirche Fanny Dethloff an der letzten Station, der Unstersuchungshaftanstalt Holstenglacis, verlesen hat.

Holstenglacis

Dies ist die Untersuchungshaft. 23 Haftarten sind hier untergebracht. Außerdem sind hier gleich die Gerichte, die die Haftverlängerung, Haftprüfungen vornehmen.

Abschiebungshaft ist eine Zivilhaft. Doch zivil geht es dabei nicht zu.

Vor allem die Beschlüsse zur Inhaftnahme werden hier gefasst. Die Abschiebehäftlinge werden dann nach Glasmoor, draußen vor den Toren Hamburgs, oder gar nach Eisenhüttenstadt, einem privat geführten Abschiebungsgefängnis in Brandenburg, gebracht.

"Aufenthaltsbeendende Maßnahme" heißt dies in geschöntem Behördendeutsch.

82 Haftplätze in Glasmoor reichen nicht aus, um die Abschiebungen, die in Hamburg relativ lange Inhaftnahme bedeuten, durchzuführen.

 

Die Lesung für den Karfreitag:

Jesaja 53, ein alttestamentlicher Text, den die Christenheit von Anfang an auf Jesus hin deutete:

Er war der Allerverachteste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet.

Fürwahr, er trug unsre Krankheit und unsere Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre.

 

Der Mann der vor mir sitzt ist Anfang dreißig, genau kann man es nicht mehr erkennen.

Er ist 1997 aus Deutschland abgeschoben worden und direkt in ein Folterzentrum gewandert. Der Richter hatte in Deutschland zu ihm gesagt, dass die Strafe nicht so hart werden würde bei der Rückkehr.

Er ist 22 Monate gefoltert worden. Er hat sich den Kopf rasiert und zeigt auf die Einschläge, die man fühlen kann.

Sein Suizidversuch gilt als Show. Er kommt für einige Tage nach Holstenglacis. B2 im Keller. Ein Ort des Schreckens. 23 Stunden Licht, kaum Kleidung, alle 10 Minuten fällt die Klappe, schaut jemand, ob der Insasse noch atmet. Für jemanden, der es ernst meinte und sich die Arme in den Armbeugen aufschnitt, für jemanden, der schwerst traumatisiert, ist dies ein Rückfall in die Schrecken.

Er ist der Mann voller Schmerzen und Krankheit.

Seine Augenbrauen hat er sich aus Verzweiflung rasiert, seine Augen gehen unruhig. Der ist in ständiger Panik, nein, schlafen kann er schon lange nicht mehr. Nur tot bringt man ihn zurück.

Jesus ist ans Kreuz gegangen, ist gefoltert und gekreuzigt worden, damit wir keine solche Opfer mehr brauchen, damit der Mensch dem Menschen nicht mehr zum Raub wird.

Es sollte ein Opfer sein, ein für alle mal - und doch wiederholt sich die Geschichte der Kreuzigung tagtäglich.

 

Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird. Und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf.

Er ist aus Angst und Gericht hinweggenommen. Wer aber kann sein Geschick ermessen? Denn er ist aus dem Lande der Lebendigen weggerissen, da er für die Missetat meines Volkes geplagt war. Und man gab ihm sein Grab bei den Gottlosen und bei den Übeltätern, als er gestorben war, wiewohl er niemand Unrecht getan hat und kein Betrug in seinem Munde gewesen ist.

 

Gebet

Gott, wir beten an diesem Ort, schenke den Menschen in ihrer Verzweiflung hier Kraft.

Steh den Insassen bei, den Mut und den Lebenskampf nicht aufzugeben.

Hilf den Bediensteten hier, Insassen nicht zum Spielball zu machen, sondern Mitmenschlichkeit zu spüren beim Leiden eines anderen.

Steh uns bei, Unrecht zu benennen und dem Opfern von Menschen im Namen des Wohlstands Einhalt zu gebieten.

Gott, wir bitten dich für die suizidalen Abschiebehäftlinge, die hier unter menschenunwürdigen Bedingungen zu einem Leben in Angst und Verfolgung gezwungen werden.

Gott, sieh das Leid und hilf uns stark zu sein, Leiden zu verhindern, durch Jesus Christus. Amen.



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