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Kampfdrohnen ächten!

von Lühr Henken / März 2014

Im Oktober 2013 besuchte uns der Friedensaktivist Brian Terell aus den USA. Er ist Mitglied unserer Catholic-Worker-Bewegung und engagiert sich seit Jahrzehnten für Frieden und gegen den Militarismus. Letztes Jahr war er deswegen sechs Monate in Haft. Mit anderen friedensengagierten Menschen veranstalteten wir einen Informationsabend zum Thema „Kampfdrohnen ächten“, bei dem sowohl Brian Terrell als auch Lühr Henken sprachen. Zum Töten mit Drohnen drucken wir hier einige grundsätzliche Informationen von Lühr Henken ab, der seit vielen Jahren in der bundesweiten Friedensbewegung aktiv ist. Seit Mitte / Ende 2013 ist die Entwicklung insofern vorangeschritten, dass "Kampfdrohnen" bzw. das "Töten mit Drohnen" ein von den Medien aufgenommenes Thema geworden ist.

Bevor ich zum spezifisch deutschen Vorhaben, Kampfdrohnen anzuschaffen, komme, möchte ich vorweg einen Überblick über den militärischen Entwicklungsstand von Drohnen und ihrer Verbreitung geben. Die USA sind in der Drohnentechnologie führend und treiben ihre Entwicklung rasant voran. Verfügten sie 2001 über nicht mehr als 50 Drohnen, sind es zurzeit etwa 7.500 bis 8.000 Drohnen, davon sind 5.000 Drohnen klein und haben eine Länge von unter einem Meter. 340 bis 800 zählen zu den Großdrohnen. Es gibt etwa 900 verschiedene Drohnentypen in 87 Staaten. US-Behörden rechnen damit, dass im Jahr 2030 allein in den USA 30.000 Drohnen für Polizei, FBI, Drogenfahndung, Grenz- und Heimatschutzbehörden im Einsatz sein werden. Dabei ist das Militär noch nicht einmal berücksichtigt, aber heute schon werden in den USA mehr Drohnenpiloten als Flugzeugpiloten ausgebildet. Die Forschungsbehörde des Pentagon DARPA strebt eine weltweite Drohnenpräsenz an. Die Drohnen sollen 900 Meilen Reichweite besitzen und auf Schiffen stationiert werden. Begründung: „Rund 98 Prozent der Landflächen der Erde befinden sich innerhalb von 900 Seemeilen Entfernung zu einer Meeresküste.“ So ließen sich „aus dem Stand heraus Aufklärungseinsätze oder Angriffe gegen Bodenziele durchführen.“ Drohnen sind also ein Machtinstrument mit anscheinend großer Zukunft. Nach den USA ist Israel ist die zweitwichtigste Drohnenmacht und gleichzeitig Drohnenexportweltmeister. So hat Israel 2011 an Russland ein Dutzend Drohnen verkauft und drei Aufklärungsdrohnen des Typs HERON 1 an die Bundeswehr vermietet, die in Afghanistan bis April 2015 Dienst tun. USA, Israel und Großbritannien verfügen bereits über Kampfdrohnen. Seit Oktober 2001 setzen die USA Kampfdrohnen ein. In Afghanistan, Pakistan, Irak, Jemen, Somalia und Libyen. Für Pakistan, Jemen und Somalia zählt das Bureau of Investigative Journalism in London die Opfer, die sich insgesamt auf maximal 4.000 addieren, davon sind bis zu 1.000 Zivilpersonen. Das war das Ergebnis von etwa 440 Kampfdrohnenangriffen der USA. Die meisten Drohnenangriffe fliegen die USA jedoch in Afghanistan. Das waren in den ersten vier Jahren von Obamas Amtszeit bis Ende 2012 genau 1.336. Das sind etwa viermal soviele Einsätze wie in allen anderen Ländern zusammen erfolgt sind. Über die Opferzahlen in Afghanistan ist nichts bekannt. Auch Großbritannien fliegt in Afghanistan Drohnenangriffe, bis März 2012, jüngere Zahlen liegen nicht vor, waren es 248. Israel betreibt seit 2006 Drohnenkriegseinsätze, bei denen 825 Palästinenser den Tod fanden.

Die Entwicklung von Kampfdrohnen schreitet voran

Eine Kampfdrohne neuen Typs testen die USA. Die X-47 B ist die erste Kampfdrohne, die auf Flugzeugträgern stationiert werden soll. „Im pazifischen Zeitalter“, schreibt die FAZ, „sind sie kein Zufallsprodukt. Ihre Reichweite wird, wenngleich bei geringerer Nutzlast, gut das Dreifache der bemannten Konkurrenz betragen. Der Operationsradius amerikanischer Flugzeugträgerverbände vergrößert sich durch die fast schallschnellen Systeme immens.“ (FAZ 19.8.13)

Entwickelt werden Kampfdrohnen darüber hinaus in Russland, China, Südafrika, Pakistan, Iran und Südkorea. „In Konkurrenz zur X-47B werden auch in Großbritannien und Frankreich mit Taranis und nEUROn Projekte verfolgt, die die Autonomie der Drohnen steigern sollen. Taranis wurde von Vertretern der Industrie schon als ‚vollautonom‘ bezeichnet. Die überschallschnelle Drohne soll selbständig Ziele erkennen, sortieren, auswählen und anvisieren können – der Mensch drückt dann nur noch den Knopf.“ (FAZ 19.8.13)

Heute gibt es fünf einsatzfähige US-amerikanische Kampfdrohnen-Modelle und ein israelisches. Von den US-Kampfdrohnen möchte ich eine näher vorstellen, weil sie vom deutschen Verteidigungsministerium nachgefragt wird. Auch die israelische, weil auch dort eine Anfrage läuft.

Beim US-Modell Reaper (Sensenmann) handelt es sich um eine Kampfdrohne, die auch Aufklärungsbilder liefert, die in etwa 15 km Höhe fliegt und dabei 370 km/h schnell ist. Sie kann 40 Stunden lang in der Luft bleiben und unterschiedlich bewaffnet werden. Wahlweise mit 16 Hellfire-Raketen, die ein Gewicht von 46 kg haben, noch aus 8 km Entfernung treffen und Explosionsradien von 20 bis 60 m erzeugen oder mit nur 4 Hellfire-Raketen, dafür aber mit bis zu 10 Lenkbomben, die ein Gewicht von bis zu 227 kg haben und entsprechend höhere Schäden anrichten können. Eine Reaper kostet 28,4 Mio. USD. Die israelische HERON TP ist größer als die Reaper und gilt als größte Kampfdrohne der Welt mit einem Gesamtgewicht von 5 Tonnen. Die Flugdauer erreicht 36 Stunden.

Zum Stand der Kampfdrohnenplanung für die Bundeswehr

Konkret sieht es so aus, dass das Bundesverteidigungsministerium auf seine Anfrage nach vier Kampfdrohnen des Typs REAPER aus den USA eine positive Antwort erhalten hat. Die REAPER sind zunächst noch unbewaffnet, können aber später bewaffnet werden. Der US-Kongress hatte um eine Kaufentscheidung bis Ende September gebeten, das Ministerium hatte daraufhin um eine Terminverschiebung bis Ende dieses Jahres gebeten. Eigentlich will man fünf Kampfdrohnen ab etwa 2016 einsetzen. Insgesamt wird sogar von 16 Drohnen gesprochen. Wie viel davon letztlich bewaffnet sein sollen, ist unklar. Das Ganze wird aber nur als Übergangslösung gesehen, bis man etwa Mitte der 20er Jahre möglichst eine europäische Lösung entwickelt hat mit Kampfdrohnen, die auch zur Selbstverteidigung fähig sind und am allgemeinen Luftverkehr teilnehmen können. Diese beiden Fähigkeiten haben heutige Drohnen nicht. Neben dem Angebot aus den USA wird auch das israelische Angebot der HERON TP geprüft. Der Inspekteur der Luftwaffe Karl Müllner sagte Ende September, er strebe „eine Auswahlentscheidung […] möglichst für Frühsommer nächsten Jahres an.“2 Das klingt so, als sei er der Bremser in dem Verfahren. Das ist er ganz und gar nicht, sondern er gibt die Marschrichtung vor. Er hält Kampfdrohnen für „zwingend erforderlich“ und sagt: „Ohne die Überwachung aus der Luft und die Unterstützung aus der Luft kann keine Patrouille mehr rausgehen und ihren Auftrag erfüllen. Und wenn man sowohl die Überwachung als auch die Unterstützung zusammenfasst, dann kann man das am Besten mit einer Plattform, also einer bewaffneten Drohne, also einem unbemannten Flugzeug tun.“3 [Zitat Ende] Na ja, wenn es ihm um den Schutz eigener Soldaten ginge, wären die am Besten geschützt, wenn man sie erst gar nicht in den Auslandseinsatz schicken würde. Aber darum geht es ihm nicht. Hier geht es darum, Auslandseinsätze und die Kriegsführung effizienter und geräuschloser – sprich mit weniger eigenen Opfern - durchführen zu können. welche handfesten Gründe für die Anschaffung von Kampfdrohnen lassen sich noch in deutschen offiziellen und offiziösen Stellungnahmen finden?

Verteidigungsminister De Maizière sieht Chancen für Drohneneinsätze, wenn sie Lufthoheit schaffen, indem sie gegnerische Luftabwehrstellungen ausschalten, ohne eigene Piloten zu gefährden, wie es beim Einsatz von Kampfbombern der Fall wäre. Er malt Möglichkeiten aus, wie Kampfdrohnen besser als Kampfflugzeuge in der Lage sind, die Infrastruktur von Terroristen zu zerstören. Beispiel: Mali. Die Drohne fliege weiter als der Jet, der dabei noch dreimal betankt werden müsse, sagt er. Verteidigungsminister De Maizière betont, dass er „Menschenjagd nach US-Muster“ (tagesspiegel.de 9.2.2013), also „gezieltes Töten“ aus Verfassungsgründen ablehnt. Das ist sicher zu begrüßen, setzt es doch rechtsstaatliche Grundsätze außer Kraft, die ja die Gewaltenteilung vorsehen. Beim „gezielten Töten“ jedoch ist Staatsanwalt, Richter und Vollstrecker ein und derselbe. Der einmal ins Visier genommene hat keine Chance auf Verteidigung oder Kapitulation. Zudem gilt hierzulande: Die Todesstrafe ist abgeschafft.

Jedoch gibt es Entwicklungen, die das „gezielte Töten“ mit Drohnen billigen. Als Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik, die vor allem vom Kanzleramt finanziert wird, hat der Oberst a.d. Richter Einsatzszenarien für Kampfdrohnen der Bundeswehr im Gefechtsfeld beschrieben. Er schreibt: „[Kampfdrohnen] können weite Räume, in denen nur wenige eigene Kräfte zu Verfügung stehen, überwachen und gegnerische Aufklärungsvorstöße auf Distanz halten; sie können leichte Truppen, die nur über geringe Artillerie- und Luftunterstützung verfügen, mit Feuer unterstützen; und sie können für den Kampf in der operativen Tiefe eingesetzt werden, zum Beispiel, um gegnerische Verstärkungskräfte frühzeitig zu erkennen und zu verzögern.“ Darüber hinaus könnten in „asymmetrischen Szenarien“ Kampfdrohnen eingesetzt werden, „um etwa Raketenangriffe auf eigene Truppenlager zu unterbinden. […] Auch Führungskräfte, Logistik und Versammlungsräume könnten sie auf Distanz angreifen, bevor der Gegner selbst zum Angriff antritt.“

Fragt sich, wie weit sind wir dann noch vom „gezielten Töten“ entfernt, wenn gegnerische Führungskräfte und Versammlungsräume von Kampfdrohnen ins Visier genommen werden. Wir sind mitten drin im angeblich so vehement abgelehnten US-Vorgehen des „gezielten Tötens“. Und wer denkt, „gezieltes Töten“ sei ohnehin verfassungswidrig, und käme für die Bundeswehrdrohnen eh nicht in Frage, der beachte die Entscheidung des Generalbundesanwalts von Ende Juli. Demnach ist „gezieltes Töten“ durch Drohnen im Kriegsgebiet erlaubt, wie die FAZ resümierte. Was war geschehen?

Der Generalbundesanwalt hatte die Klage von Angehörigen des im pakistanischen Waziristan von US-Drohnen „gezielt getöteten“ Deutsch-Türken Bünyamin G. abgewiesen. Dieser Entscheid ist juristisch hoch umstritten, weil er Begriffsdefinitionen einführt, die den Kombattantenstatus des Getöteten und den Begriff des Kriegsgebiets erweitern. Obwohl der Getötete unbewaffnet war, wurde ihm der Status eines „Angehörigen einer organisierten bewaffneten Gruppe“ zuerkannt, war somit als quasi Kombattant zum Abschuss freigegeben. Warum war er nicht einfach ein „vermutlich krimineller Zivilist“? Warum ist Pakistan ein Kriegsgebiet, oder juristisch gesprochen Zone eines nichtinternationalen bewaffneten Konflikts? Afghanistan ja, aber Pakistan? Der Generalbundesanwalt ist angewiesen, die sicherheitspolitischen Ziele der jeweiligen Bundesregierungen zu teilen und unterliegt der Dienstaufsicht des Justizministeriums. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat diesen Entscheid des Generalbundesanwalts gebilligt. Zu befürchten ist, dass hier juristische Schleusen geöffnet werden, die „gezieltes Töten“ weitgehend zulassen.

Eine darüber hinausgehende Erweiterung von Einsatzszenarien für Kampfdrohnen ergibt sich aus einer Antwort der Bundesregierung: [Zitat] „Bewaffnete Drohnen können über die Eigenschaften unbewaffneter Drohnen hinaus ein erkanntes Ziel (am Boden und gegebenenfalls auf See) reaktionsschnell, präzise und skalierbar bekämpfen.“ 8 Auf See. Das ist neu! Der Fantasie zum Einsatz von Kampfdrohnen gegen Seeziele sind keine Grenzen gesetzt. Das reicht von der Dauerbeobachtung und eventuellen Bekämpfung von Piratenbooten auf hoher See über die Kontrolle von Küstenregionen von Ländern bis hin zur Kontrolle von Seegebieten, in denen Rohstoffabbau betrieben wird.

De Maizière sagt beschwichtigend: Immer entscheidet ein Mensch über denEinsatz der Waffen. Richtig: der Politiker, und der Operateur. Noch! Die fünf deutschen Friedensforschungsinstitute warnen nachdrücklich: „Da Computer jede Information viel schneller verarbeiten als Menschen, sind Automatisierung und Verselbständigung nicht aufzuhalten. Entscheidungsspielräume für Menschen verringern sich zusehends. […] Am Ende dieser absehbaren Entwicklung werden Entscheidungen über Leben und Tod an Computer abgegeben – das läuft auf die Automatisierung eines nicht erklärten Krieges hinaus.“ „Wir wiederholen unsere Forderung“, schreiben die Friedensforscher, „Kampfdrohnen völkerrechtlich zu ächten. Wir halten es für dringend geboten, der Entwicklung derartiger Waffensysteme einen Riegel vorzuschieben, bevor sie eine fatale Eigendynamik entfalten.“

Deshalb haben wir die bundesweite Kampagne „Keine Kampfdrohnen!“ ins Leben gerufen. Mit einer Unterschriftensammlung fordern wir von der Bundesregierung, auf die Anschaffung, Entwicklung und Produktion von Kampfdrohnen zu verzichten und sich für ihre völkerrechtliche Ächtung einzusetzen.

Für weitere Informationen verweisen wir auf die Internetseite www.drohnen-kampagne.de (die Red.)



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