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Freiheit für Ilhami Akter!

Die Pastor*innen Maren Wichern und Ronald Einfeldt gaben Ilhami Akter (M.) 1994 Herberge im Gemeindehaus. Hier bei einem Wiedersehen nach 20 Jahren in unserem damaligen Wohnzimmer. Sie engagieren sich auch jetzt für seine Freilassung.

von Rudi Friedrich / November 2018

Vor fast 25 Jahren lebte Ilhami Akter für einige Zeit im Gemeindehaus der örtlichen Thomaskirche. Hier war er für mehrere Monate im Kirchenasyl, da ihm eine Abschiebung in die Türkei drohte. Als politisch aktivem Kurden und Kriegsdienstverweigerer hatte er Angst vor Gefängnis und Folter. Nach seiner Asylanerkennung durch den deutschen Staat baute sich Ilhami eine Existenz auf und wurde deutscher Staatsbürger. Nun wurde er Mitte August bei einem Besuch seiner Mutter im Heimatdorf Sarıbaşak in der Türkei festgenommen. Rudi Friedrich von Connection e.V. hatte Gelegenheit, Ende Oktober 2018 mit ihm zu sprechen. Hier sein Interview und noch einige weitere Erläuterungen zu seinem Fall. (Red.)

In dem Gerichtsprozess gegen Ilhami Akter wurde ihm „Terrorpropaganda“ vorgeworfen, da er sich auf seiner Facebook-Seite kritisch über die Politik der AKP und den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan geäußert haben soll. Am 14. September 2018 wurde er deshalb vom Gericht Elazığ zu drei Jahren und eineinhalb Monaten Haft verurteilt, zugleich aber bis zu einer Entscheidung im Berufungsverfahren auf freien Fuß gesetzt. Aber es wurde ihm die Auflage erteilt, dass er die Türkei nicht verlassen darf.

İlhami Akter hatte in den 90er Jahren gegenüber den türkischen Behörden seine Kriegsdienstverweigerung erklärt. Vor fast zehn Jahren erhielt er die deutsche Staatsbürgerschaft und gab dafür die türkische auf.

Rudi Friedrich: Kannst Du uns beschreiben, wie Deine Verhaftung ablief?

Ilhami Akter: Am 15. August 2018 sind sie morgens um 6.30 Uhr gekommen mit etwa 100 Sicherheitskräften, Gendarmerie und andere. Sie kamen mit drei Jeeps und einem Panzerfahrzeug. Dann haben sie unser ganzes Haus umstellt. Drei kamen zum Haus und erklärten, dass sie von der Gendarmerie in Karakoçan kämen und das Haus durchsuchen wollen. Ich fragte nach einem Durchsuchungsbefehl. Der lag von der Staatsanwaltschaft und dem Gericht in Elazığ vor. Sie kamen dann mit 15 Personen ins Haus und haben die Durchsuchung durchgeführt.
Sie erklärten mir, mir werde vorgeworfen, in den sozialen Medien terroristische Propaganda gemacht zu haben. Im Haus fanden sie allerdings nichts. Dann nahmen sie mich mit zur Militärwache nach Karakoçan. Dort verhörten mich dann zwei Zivilbeamte, an meiner Seite war ein Rechtsanwalt. Die Anhörung dauerte etwa drei Stunden. Sie wollten meinen Namen wissen usw. Sie haben versucht, mich zu einem PKK-Unterstützer zu erklären und haben mir vorgeworfen, ich hätte geplant, der PKK was zu bringen oder ihr zu helfen. Ich habe gesagt, nein, das wäre nicht der Fall. Ich fragte, ob es eine Anzeige gäbe. Nein, das gäbe es nicht. Den Vorwurf, in den sozialen Medien etwas veröffentlicht zu haben, habe ich bestritten.
Sie fragten mich auch, ob ich Militärdienst abgeleistet habe. Ich sagte, nein, weil ich seit über 20 Jahre in Deutschland lebe und inzwischen deutscher Staatsbürger bin. Zugleich bin ich Antimilitarist. Es gab dann noch die Frage, ob ich die PKK unterstütze. Ich antwortete: Ich habe in Deutschland immer wieder deutlich gemacht, dass ich Kriegsdienstverweigerer, Kriegsgegner und Antimilitarist bin. Wie kann ich da eine bewaffnete Organisation unterstützen? Überall habe ich gesagt, dass ich keine Uniform und keine Waffe tragen werde.
Dann haben sie mich mit zwei Zivilbeamten in einem Panzerfahrzeug zum Gericht nach Elazığ gebracht.

Wie ist es beim Gericht weitergegangen?

Dort wurde ich erneut angehört. Sie stellten mir nur zwei Fragen. Die erste, ob ich die Vorwürfe zugebe, was ich verneinte. Die zweite Frage war, warum ich in die Türkei käme, wo ich doch gegen die Türkei Propaganda machen würde. Dann machte das Gericht fünf Minuten Pause. Ich hörte im Hintergrund, dass die Richterin bei einem der beiden Zivilbeamten, die mich zum Gericht gebracht hatten, fragte, ob ich inhaftiert werden solle, was er bejahte. Nachdem das Gericht wieder zusammentrat, wurde der Beschluss gefasst, mich ins Gefängnis zu überstellen.

Deine Gerichtsverhandlung war nur etwa vier Wochen später, am 14. September 2018. Wie lief die Verhandlung ab?

Ich hatte bis dahin keine Stellungnahme zu den Vorwürfen abgegeben, machte das aber nun vor Gericht. Am Schluss ergänzte ich noch, dass mich ein Buch von Jean Paul Sartre über den Algerienkrieg sehr beeindruckt hat, das Buch „Wir sind alle Mörder“. Ich erklärte, solange der kurdische Konflikt bestehe und keine Lösung gefunden werde, sind wir alle schuldig. Das ist seit 40 Jahren eine dramatische Situation, ein nach wie vor geführter Krieg, alles wird davon beherrscht.
In der Verhandlung wurde klar, dass der Staatsanwalt eine Haftentlassung wollte, der Richter wollte mich aber wieder ins Gefängnis bringen lassen. Schließlich haben wohl die Beisitzer gegen eine erneute Haft votiert. Ich denke, dass der diplomatische Druck und die Aktionen der zivilgesellschaftlichen Organisationen dazu beigetragen haben, dass ich nicht erneut ins Gefängnis kam. Der Richter hat schließlich verfügt, dass ich die Türkei nicht verlassen darf.

Du hast sowohl gegen das Urteil wie auch gegen die Ausreisesperre Widerspruch eingelegt. Wie geht es jetzt weiter?

Es kann Monate dauern, bis erneut verhandelt wird. So lange muss ich hier in der Türkei bleiben. Das ist der aktuelle Stand. Aber selbst wenn das Verfahren fortgeführt wird: Mein Rechtsanwalt geht davon aus, dass von den Gerichten in der Türkei keine positive Entscheidung zu erwarten ist. Meine Hoffnung besteht darin, dass es durch zivilgesellschaftlichen bzw. diplomatischen Druck möglich ist, dass ich ausreisen kann. Die ganzen Vorfälle haben mich psychisch und auch wirtschaftlich sehr belastet.

Was wünschst Du dir an Unterstützung?

Ich bin dankbar für die vielfältige Unterstützung, die es bereits gab. Meine Idee und Frage wäre, ob es nicht möglich ist, dass mich Vertreter*innen von zivilgesellschaftlichen Initiativen oder auch Abgeordnete hier besuchen und so ein deutliches Signal senden.

Auf der Internetseite von Connection e.V. ist inzwischen ein Online-Formular eingerichtet. Darin ist auch eine Spendenmöglichkeit enthalten. Es ist unter folgender Adresse zu finden: www.Connection-eV.org/ilhamisupport.
Connection e.V. - Internationale Arbeit für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure Von-Behring-Str. 110
D-63075 Offenbach
Tel.: 069 8237 5534
E-Mail: office@connection-eV.org 



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