Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
Arbeit für Frieden und Gerechtigkeit
Gastfreundschaft für Flüchtlinge
Leben in Gemeinschaft
Das Leben im Kaleidoskop

Buntes Sommerfest bei Brot & Rosen

Ein Teil der interantionalen Gruppe bei der Aktionswoche in Büchel

Wie beim Zug durchs Rote Meer - in Horst

von Birke Kleinwächter / September 2019

Jeden Tag könnte ich meinen Bericht aus der Gemein-schaft anders beginnen. Jeden Tag passiert etwas, hören wir etwas, tun wir etwas, was so gewichtig ist, dass es das Gewichtige vom Vortag erst einmal in den Schatten stellt.

So konnte ich beobachten, wie Jamal Madrine mit großer Geduld das Fahrradfahren auf unserem Hof beibrachte. Eines Morgens ergab es sich, dass Jamal und ich zusammen frühstückten und wir auf das Thema Flucht kamen. Er erzählte mir von seiner Flucht zu Fuß durch Europa und wie schrecklich die Grenzübertrittversuche in Ungarn oder Bulgarien waren. Oder MitbewohnerInnen haben Termine in der Ausländerbehörde, die einen erhalten die erhofften Papiere, die anderen nicht. Ali versucht den richtigen Ausbildungsplatz für sich zu finden. Blanche hat, unter Vorbehalt, eine Ausbildung anfangen können, und Shirley wird dies im September tun. Und seit ein paar Tagen wissen wir, dass die Hamburger Härtefallkommission sich für Doks einsetzt, auf dass er endlich ein sicheres Aufenthalts- und Arbeitsrecht in Deutschland erhalte!

Sommer in der Stadt

In den Wochen seit Juni hat sich unsere Hausgemeinschaft sehr verändert:
Noch vor den Ferien zog JS. aus. Alle miteinander hatten wir erlebt, dass das Zusammenleben mit einem Menschen, die ein großes Bedürfnis nach einem eigenen Schutzraum hat und gleichzeitig häufig die Grenzen Anderer übertritt, schwierig ist. Zum Glück war der Auszug eine einver-nehmliche Entscheidung. JS ist noch nicht am Ziel ihrer Hoffnungen angelangt, hat aber ein Zuhause gefunden, in dem sie besser klar kommt.
Jhansson, unser hoffentlich zukünftiger Opernsänger, ist nach drei Monaten Mitwohnen bei uns zurück in Kolumbien, um seine Wiedereinreise für das Master-Gesangsstudium in Lübeck vorzubereiten. Während er hier war, füllte er unser Haus beim Üben mit seiner sonoren Bariton-Stimme. Und das Abschiedskonzert mit ihm war große Klasse!
Jamal geht nach Niedersachsen, wo seine Familie lebt und wo er endlich sein Asylverfahren in Deutschland durchführen lassen kann.
Joel Gerstner machte Zwischenstation zuhause zwischen Freiwilligendienst in Paris und der Aufnahme seines Studiums in Nancy.
Große Sorgen machen wir uns um unseren ägyptischen Mit-bewohner Y., der Anfang August einen schweren Unfall mit seinem Moped hatte und diverse Operationen über sich ergehen lassen musste. Er war im Krankenhaus in guten Händen, aber was das für seine Zukunft und die seiner Frau bedeutet, bleibt abzuwarten.
Seit einer Woche lebt Kr. bei uns. Weil sie 18 geworden ist, soll sie plötzlich abgeschoben werden. Und das trotz eines Ausbildungsplatzes in der Altenpflege! Stellt Euch vor, Eure Kinder werden 18, bevor sie die Schule oder Ausbildung abschließen, und dürfen plötzlich nicht weiter lernen gehen. Ich verstehe unser politisches System oft nicht!
Unmittelbar nach den Hamburger Sommerferien fand unsere alljährliche Brot & Rosen-Kaffeetafel in Haus und Garten statt. Das Wetter machte einigermaßen mit und wir freuten uns über reichlich Besuch. Gerade für Menschen/ Nachbar*innen aus der Region, aber auch für Neugierige, ist dies eine gute Gelegenheit, uns wiederzusehen oder ken-nenzulernen. Erstmals stellte dabei ein ehemaliger Mitbewohner von Brot & Rosen, Nazih Mechref, der hier vor über 20 Jahren gelebt hatte, seine Kunstwerke aus. Großformatige Bilder in frohen Farben schmückten unser Wohnzimmer. Unser aktueller Hauskünstler Z. hängte auch einige seiner filigranen Zeichnungen auf.

Aktionen in Büchel...

Unser Sommer fand nicht nur im Haus statt. Im Juli war ich mit Uta und Dietrich Gerstner in Büchel (Eifel). Alle drei waren wir zum ersten Mal da und genossen das „internationale Familientreffen“ mit Catholic Worker-FreundInnen. Mich stärkten unsere täglichen Mahnwachen vor dem Haupttor und unsere Gebete am Haupttor.
Ich hatte vor (und nach) der Reise getestet, wie viele Menschen überhaupt wissen, was ich meine, wenn ich erzähle, dass ich nach Büchel fahre. Dass in Büchel illegal Atomwaffen der USA liegen, wissen erschreckend wenige. Wie viel ich persönlich riskieren kann und möchte im Protest gegen Atomwaffen angesichts so vieler verschiedener Missstände allein in unserem Land, ist eine offene Frage, die ich mit nach Hause genommen habe. Aber ich möchte, dass alle erfahren, wofür „Büchel“ steht, um sich am Widerstand dagegen beteiligen zu können.

...und Horst

Ende August beteiligten sich Dietrich Gerstner und ich mich an der Sommeraktion der Lebenslaute. Ziel unseres Protestes war das unsägliche Lager für Flüchtlinge in Horst in Mecklenburg-Vorpommern – im Niemandsland zwischen Lauenburg und Boizenburg. Wer kennt „Horst“? Wer weiß, wie viele Lager es in Deutschland gibt, in denen Geflüchtete wie in Freiluftgefängnissen (Selbstbeschreibung) leben?
Ich habe dadurch zwei (der sicher viel mehr) unsichtbaren Orte unseres Landes kennengelernt, dachte ich. Atomwaf-fenstationierung auf deutschem Boden sowie die Art der Un-terbringung und des Umgangs mit Geflüchteten verstoßen gegen internationales Recht und sind auch nach deutschem Recht zum Teil nicht rechtmäßig.
Die Woche mit der Lebenslaute war mein persönliches Highlight. Wir hatten ein gut besetztes großes Orchester und viele Sänger*innen. Die Waldschule in Alt Jabel (bekannt durch den großen Brand auf dem Truppenübungsplatz bei Lübtheen, Westmecklenburg) war ein tolles Quartier für eine Woche. Wir wurden vegan bekocht und die sog. Aktionsunterstützung (AU) leistete logistische Meisterarbeit. Dreimal konzertierten wir: Am Freitag (16.8.) in Schwerin vor dem Palast der Ministerpräsidentin Schwesig (sie kam nicht zum Zuhören heraus) und am Sonntag (18.8.) vor dem Aufnahmelager Horst führten wir unsere offiziellen Konzerte auf. Der Höhepunkt für alle Beteiligten war aber das Konzert am Samstag (17.8.) im Innenhof des Lagers. „Mit Orchester und Chor öffnen wir das Tor“ war das Motto, mit dem wir für die Aktionswoche geworben hatten. Die patenten Handwerker unter uns hatten erkannt, wie wir das Lager betreten können, ohne etwas kaputt zu machen. Es war wie ein Wunder – das „Rote Meer“ lag flach vor uns und wir konnten mit Instrumenten und Notenständern durch eine Öffnung schrei-ten. Das Konzert, umgeben vom Publikum der Bewoh-ner*innen , war phantastisch. Sie sangen mit bei allem, was sie kannten, und klatschten im Rhythmus. Als wir den Ge-fangenenchor von Verdi (aus der Oper „Nabucco“) sangen und der Chor hinter mir seinen vollen Klang entwickelte, lief mir eine Gänsehaut über den Rücken. Wo, wenn nicht an einem Unrechtsort wie hier, muss dieser Chor gesungen wer-den, empfand ich. Ein Mitglied der Lebenslaute-AU, der draußen vor dem Haupttor mit anderen ebenfalls für Musik gesorgt hatte, beschrieb hinterher, dass alle, die nach dem Konzert durch dieses Tor rauskamen, glückliche Gesichter hatten. Ja, ich war erfüllt! Aber ich war mir auch schmerzhaft bewusst, dass wir wieder gehen konnten im Unterschied zu den Menschen im Lager. Kurze Zeit später wurden wir allerdings bei unseren Autos von einem riesigen Polizeiaufgebot empfangen und mussten alle unsere Personalien zur Überprüfung abgeben. Die Einrichtungsleitung hatte uns, entgegen der anfänglichen „Duldung“, doch noch wegen Hausfriedensbruchs angezeigt. Wir hoffen auf sehr viele Gerichtsverfahren, um vielleicht auf diesem Weg endlich die Missstände anprangern zu können.

Ein bisschen erschöpft, aber auch staunend blicke ich auf den Sommer zurück. Vieles hat mir bewusst gemacht, dass wir nie wissen können, was kommen wird. Vieles ist möglich, wenn die innere Haltung stimmt (Beispiel Lebenslaute). Gebete helfen gegen Ohnmacht (Beispiel Büchel). Ich freue mich über unsere tolle Hausgemeinschaft, die sich auch dann (weiter) um alles kümmerte, als wir aus der Kerngemeinschaft alle verreist waren.



Mittragen

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Mitleben

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