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Leben in Gemeinschaft
Unsichtbare Radikalität

Claire Schaeffer-Duffy bei einem Vortrag in Dülmen.

Frits ter Kuile beim Austeilen unserer „German Catholic Worker“-Zeitung beim Katholikentag in Münster – im Hintergrund der Heilige Nikolaus mit den mystischen drei Kugeln (von Rudolf Breilmann).

von Claire Schaeffer-Duffy / Juni 2018

Claire und Scott Schaeffer-Duffy leben seit über 30 Jahren in einer Catholic Worker (CW)-Gemeinschaft in Worcester, USA. Sie leben mit obdachlosen Menschen zusammen und beteiligen sich an zahlreichen gewaltfreien Friedensaktionen, die auch zu mehreren Gefängnisverurteilungen geführt haben. Auf Einladung von Frits ter Kuile vom Jeannette Noel-Haus in Amsterdam unternahmen sie im Mai eine Reise nach Deutschland und England. Ihre Vortragsreise fiel genau in die Zeit unseres jährlichen Treffens der Europäischen Catholic Worker-Gemeinschaften, über das Claire in einem Artikel ihrer Zeitung „The Catholic Radical“ berichtet.

Das diesjährige Europäische Catholic Worker-Treffen fand in einem gemütlichen Jugendfreizeitheim in der Nähe der Stadt Dülmen statt. Es war das bisher größte Treffen mit ungefähr 50 TeilnehmerInnen. Der erholsame Zeitplan ließ Schwimmeinheiten im angrenzenden See und Morgenläufe mit jungen Catholic Workern durch Alleen von Lindenbäumen zu.

Versammelt waren StudentInnen, GärtnerInnen, AktivistInnen, KünstlerInnen, VisionärInnen, Eltern mit kleinen Kindern, Jugendliche, die in Gemeinschaften aufwuchsen, und ruhelose Seelen – also die übliche Catholic Worker-Mischung. ... Ich verliebe mich in Irmtraud, die immer lächelnde, braunäugige ältere Dame, die in jeder Diskussion das allgemeine bedingungslose Grundeinkommen als Lösung für alle sozialen Übel predigt.

Die Gruppe ist weiß, aber nicht ahnungslos. Schon nach wenigen Minuten diskutiert Dan, ein energetischer Theologiestudent vom Catholic Worker in Amsterdam, mit mir über den Dokumentarfilm „I Am Not Your Negro“ (nach einem Text von James Baldwin). Dieser Film war Teil ihrer Filmreihe über Rassismus im letzten Herbst.

Das Europäische CW-Verzeichnis listet elf europäische Häuser und Farmen in sechs verschiedenen Ländern auf. Mitglieder der deutschen, niederländischen, englischen und schwedischen Gemeinschaften nahmen am Treffen teil. Anders als US-amerikanische CW-Häuser, wo Gäste aller Art ein Zuhause finden, bieten die EuropäerInnen Gastfreundschaft vor allem für Flüchtlinge und Menschen ohne Papiere an. Davon abgesehen klangen die Berichte über Projekte und Dilemmata, die im „Community Update“ vorgetragen wurden, sehr vertraut. Aus Amsterdam wurde berichtet, dass fünf Personen von dem sehr großen Haushalt einen Ableger auf dem Land gründen wollen, das Dorothy Haus. Ein junges Paar aus Freiburg erzählte, dass sie ihre Bemühung, ein CW-Haus in Süddeutschland zu gründen, nach Monaten voller Treffen und intensiver Suche nach einem geeigneten Haus aufgegeben haben. Richard aus Dover, England, fängt an zu realisieren, dass er in seiner Gründungsgruppe der Einzige ist, der wirklich mit den Armen leben will.

Scott und ich sind bewegt von der Kenntnis der Schriften von Dorothy (Day) und Peter (Maurin) bei den EuropäerInnen, ihrem Eifer für CW-Ideale, ihre Disziplin in Glaubensfragen, die in den gemeinschaftlichen Morgengebeten und ihrer herzlichen Freude deutlich wird. Der Bunte Abend am Samstag beinhaltete eine urkomische Neufassung von Dostojewskis „Der Großinquisitor“. In einer Szene erscheint die „Heilige Dorothy“ am Ende eines sehr anstrengenden Tages in einem CW-Haus – und die Gemeinschaftsmitglieder schmeißen sie raus. „Deine harte und fürchterliche Liebe ist zu viel für uns!“*, erklären sie ihr.

Unsere Deutschland-Reise beinhaltete zwei Tagestouren nach Münster, dem Veranstaltungsort des diesjährigen Katholikentages, ein großes nationales Festival zur Feier alles Katholischen. Die europäischen CWs stellten ihre Bewegung beim alternativen Katholikentag Plus vor. Scott und ich hielten einen Vortrag beim traditionellen Katholikentag. Scott war enttäuscht von der geringen Zahl der BesucherInnen. Aber ich sah Tränen in den Augen einiger ZuhörerInnen, als ob unsere Beschreibung des CW-Lebensstils, oft alltäglich und banal für uns, eine tiefe, uneingestandene Hoffnung geweckt hätte. (…) „Hältst Du Dich selber für radikal?“, fragte mich eine bildhübsche junge Deutsche, die während des CW-Treffens Interviews machte für ihren Dokumentarfilm über Christentum und soziale Bewegungen. „Oh, nein!“, sagte ich. „Ich bin eine ganz normale Frau, eine Mutter und Großmutter mit recht traditionellen Werten.“ – „Aber ist da nicht doch eine Radikalität in diesem Leben der Gastfreundschaft? Eine unsichtbare Radikalität?“

Dieser Ausdruck erinnerte mich an eine Karte der USA, aufgezeichnet von einer Radlerin, die eine Tour alternativer Gemeinschaften gemacht hatte. Innerhalb einer Karte der USA hatte sie mit einem roten Filsstift ihre Fahrradroute eingezeichnet. Jeder Punkt markierte einen Ort, den sie besucht hatte. Ein Catholic Worker-Haus in Alabama, ein Kollektiv für nachhaltigen Lebensstil im Mittleren Westen, etc. Die rote Linie, die im Kreis zu ihrem Ausgangspunkt zurückführte, erschien mir wie ein untergründiger Strom pulsierender Hoffnung. Unser Europa-Trip stellte uns in einen vergleichbaren Kreislauf, und ich bin voll Energie zurückgekehrt.

* Anm.: Dorothy Day übernahm den Begriff „harsh and dreadful love“ als Leitbild für ihr Leben im Catholic Worker aus dem Roman von Fjodor M. Dostojewski „Die Brüder Karamasow“, in den die Legende über den Großinqusitor eingearbeitet ist.



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