Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
Arbeit für Frieden und Gerechtigkeit
Gastfreundschaft für Flüchtlinge
Leben in Gemeinschaft
Groß und Klein, kommt herein

von Ute Andresen / Dezember 2003

Es scheint mir, dass sich mit dem wunderbaren Sommer auch die Ruhe in unserem Haus etwas rarer gemacht hat. Denn das Haus ist jetzt richtig voll. Und das ist schön.

Pünktlich zum Schulanfang füllte sich langsam das Haus mit neuen MitbewohnerInnen. Im August zogen Viola Engels und Christiane Wiedemann als Freiwillige zu uns. Ein Mitbewohner kam nach einem Klinikaufenthalt ins Haus zurück. Im September haben wir eine kleine Familie aus Kurdistan mit zwei kleinen Kindern (2 Jahre und 4 Wochen alt) bei uns aufgenommen. Zuerst waren wir uns unsicher, wie es sein würde mit einer ganzen Familie im Haus, da sie ja eine eigene Einheit bildet und sich erst selbst mit ihrem neuen Baby zusammen finden muss. Aber das Zusammenleben geht echt gut, und sie sind ein lebendiger Teil der Hausgemeinschaft geworden. Die Kinder bringen natürlich Leben in die Bude, und unsere Abendessen sind manchmal ziemlich turbulent. Zuerst konnten wir nicht so recht einschätzen, wie die Kinder mit den Sprachproblemen zurecht kommen würden und ob sich verstehen werden, denn Baran sprach beim Einzug nur kurdisch. Aber es scheint ihnen gar nichts auszumachen, und nach anfänglicher Scheu tobt der kleine Baran mit den anderen Kindern über unsere Flure, und sie spielen gemeinsam in der Spielecke. Jetzt kann er schon auf Deutsch bis zwölf zählen! Die Lütten machen es vor, wie Völkerverständigung funktionieren kann. Insgesamt sind wir jetzt ein Haushalt mit 22 Leuten, darunter acht Kindern. Damit ist die höchste Zahl an Menschen erreicht, die jemals im Haus zusammengelebt haben, und es ist schön mit so vielen Kindern.

Gleichzeitig ist unser Besuchszimmer mit 2 Betten noch offen für FreundInnen und Neugierige. Oder auch für eine dramatische Notaufnahme, wie wir sie kürzlich erlebt haben: Für eine Nacht durften wir das rettende Ufer für ein Roma-Ehepaar aus Serbien sein. Ihnen drohte die sofortige Abschiebung, obwohl der Mann gültige ärztliche Atteste besaß, die belegten, dass er mindestens bis zum Ende des Jahres flug- und reiseunfähig sein würde. Er hatte gerade mal 6 Wochen zuvor einen schweren Herzinfarkt erlitten, und außerdem waren bei ihm verschiedene ernst zu nehmende Krebserkrankungen festgestellt worden. JedeR StaatsbürgerIn dieses Landes würde in solch einem Zustand natürlich in die Reha geschickt werden. Den beiden aber droht eine unsichere Zukunft mit schwieriger medizinischer Versorgung. Durch die erfolgreiche Intervention der kirchlichen Flüchtlingsberatungsstelle "Fluchtpunkt" dürfen sie aber erst einmal bleiben, denn die Ausländerbehörde hat sich nun zum ersten Mal die Atteste richtig angesehen. Manchmal ist es schon schwer, immer wieder mit dem Leid anderer konfrontiert zu werden. Ich fühle mich teilweise so hilflos, und Fragen tauchen auf.

Aber es wachsen uns auch immer wieder Kräfte zu, wenn sichtbar wird, wieviel Unterstützung wir von außen erfahren. Deutlich wurde es bei unserem 7Jahresfest. Nur wenige hatten sich angemeldet, aber es kamen über 80 Erwachsene und 20 Kinder, die an diesem Nachmittag das Haus in einen großen Begegnungsort verwandelten. Und da war der stärkende und mutmachende Besuch von unseren amerikanischen Gemeinschaftsfreunden Murphy Davis und Ed Loring, die seit über 20 Jahren in Atlanta mit obdachlosen und strafentlassenen Menschen in der "Open Door Community" zusammenleben.

Zusammen mit ihnen sind dann einige von uns zum europäischen Catholic WorkerTreffen gefahren. Dieses Mal waren wir wieder in Amsterdam zu Gast. Das Thema dieses Treffens war: "Aufbau von Gemeinschaft". Was braucht es, um miteinander leben zu können, wieviel Nähe, wieviel Ermunterung, wieviel Ermahnung und Rücksicht auf denjenigen, mit denen ich mein Leben teile. Hierzu hat Dietrich den Vortrag von Murphy Davis für uns übersetzt, den sie in Amsterdam gehalten hat.

Genauso wertvoll waren mir die Gespräche zwischendurch, die sich mit unseren internationalen Gemeinschaftsgeschwistern ergaben: Sei es über das Thema Ermüdung und Kraftschöpfen. Oder wie es ist, sein Leben immer wieder für neue Menschen offen zu halten, sich auf Fremde einzulassen, die dann im Laufe der Zeit Freunde werden können.

Die alte Diskussion zwischen dem Leben im Haus und der Erwerbsarbeit ist uns derzeit wieder mehr präsent. Es ist der Versuch verschiedene Lebensmodelle unter einen Hut zu bringen: Erwerbsarbeit, Leben mit Flüchtlingen und Familie - Lebensbereiche, die jeweils viel Aufmerksamkeit und Konzentration fordern. Gleichzeitig denke und fühle ich immer wieder, wie beschenkt ich bin, Teil dieses Hauses zu sein. Ohne selbst Kinder zu haben, sehe ich, wie sie sich entwickeln und zu eigenen Persönlichkeiten heranreifen. Das Wunder mitzuerleben, wie Lea-Susanna, gerade mal 8 Wochen alt, wächst und wie sich ihr kleines Gesicht von Woche zu Woche entwickelt und eigene Konturen annimmt.

Und manchmal ergibt sich im Alltag einfach eine wunderbare Situations- und Sprachkomik, z.B. wenn Mahmut sich zu unserer kaputten Geschirrspülmaschine stellt und mitleidig feststellt: "Der Geschirrspüler ist müde." Da er leider nicht mehr repariert werden kann, müssen wir einen neuen kaufen: Nach 7 Jahren ist übrigens noch manches andere durch den Dauergebrauch verschlissen und muss erneuert werden. Zum Glück können wir das dank Eurer Spenden jetzt und hoffentlich auch weiterhin tun.



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