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Notizen aus der Sommerzeit

Steife Brise auf Sylt – Brot & Rosen und Freunde beim Hausausflug im Juli

Yasmin Demirovic-Schulze gestaltete einen Offenen Abend über die Situation der Roma in Europa. Wir protestieren gegen die Abschiebungen von Roma ins Elend!

Eleonora, Sina, Salome und Nikoloz – sie alle könnten auf eigenen Füßen stehen, wenn es einen Ort zum WOHNEN für sie gäbe. Ein Zimmer, eine Dachkammer, ein beheizbarer Parterre-Raum: Gibt es in dieser großen Stadt niemand, der/die etwas anbieten kann?

von Ilona Gaus / September 2010

Wie jedes Jahr heißt Sommerzeit auch bei uns Reisezeit. Vor allem die Gemeinschaftsfamilien mit ihren Schulkindern suchten für ein paar Wochen das Weite, während wir gleichzeitig den einen oder anderen Besuch willkommen heißen konnten.

Beim letzten Rundbriefversand haben André (Togo), Laurent (Frankreich), Salome und Nikoloz (Georgien), Eleonora (Ukraine), Mehmet (Kurdistan), Sina (Ex-Jugoslawien), Zinedine (Marokko) und Svenja (Schülerin aus Hamburg) mitge­holfen.

Svenja, eine Schülerpraktikantin, hat uns zwei Wochen unterstützt. Sie spricht mehrere Sprachen, die sie hier alle ausgezeichnet erproben konnte. Mittlerweile kümmert sie sich ab und zu um Lea-Susanna, wenn Birke abends einen Termin hat.

Eines Abends stand Dejan vor der Tür. Seine Frau war mit ihrem kleinen Kind 2004 nach Serbien abgeschoben worden, und er reiste ihnen nach einigen Monaten „freiwillig“ nach. Doch auch nach fünf Jahren hat er dort kein regelmäßiges Einkommen gefunden. Wir von Brot & Rosen versuchen seither, die Familie nach unseren Möglichkeiten zu unterstützen. Aber es reicht vorne und hinten nicht. Die Stromrechnung wird angemahnt, Brennholz fehlt, das Häuschen muss dringend winterfest gemacht werden –so machte er sich auf den Weg nach Hamburg. Er braucht keine Almosen, er braucht eine ARBEIT. Den Sommer über konnte Dejan sein Lager in unserem Besuchszimmer im Keller aufschlagen.

Laurent, ein französischer Globetrotter, der über das Café Exil zu uns gekommen war, fand nach mehreren Wochen durch einen Landsmann endlich eine Arbeit und Unterkunft. Doch inzwischen ist er wieder weiter gezogen – dahin, wo der Wind des Lebens ihn treibt.

Ein Jugendlicher aus Marokko sollte nur ein paar Tage bei uns unterkommen. Aber wie so oft zögerte sich seine offizielle Unterbringung durch bürokratische Hürden immer wieder hinaus. Trotz aller Bemühungen gelang es nicht, für ihn eine jugendgerechte Einrichtung zu finden. Stattdessen lebt er in einem Wohnheim für Erwachsene – ein vollkommen ungeeigneter Ort für einen jungen, schwer traumatisierten Menschen!

Zinedine war gerade eine Stunde aus dem Haus, da standen schon Victoria und Peter aus Ohio (USA) vor der Tür. Sie hatten uns für einen Monat ihre Mitarbeit angeboten. Es war gerade noch Zeit, die Betten frisch zu beziehen, durchzusaugen und ein Blümchen auf den Tisch zu stellen…. WELCOME!

Peter hatte mehrere Jahre in einer Catholic Worker-Gemeinschaft in den USA gelebt und entpuppte sich als Mann mit großem Spaß am Kochen, der uns mit immer neuen Leckereien überraschte. Dafür machten wir mit ihm und Victoria Sightseeing – z.B. zur Zinnschmelze (Kneipe auf altem Industriegelände) oder einen Bummel über den Fischmarkt. Das Spiel des palästinensischen Fußballnationalteams der Frauen gegen die Fußballfrauen des FC St. Pauli bescherte uns auch einen unterhaltsamen Nachmittag. Auf meinen dringenden Wunsch unternahmen wir an einem Juli-Wochenende auch eine Tagestour nach Sylt. Wir waren eine bunte Gruppe aus 12 Erwachsenen und 9 Kindern. Trotz steifer Brise wagten sich die Tapfersten in die Nodseewellen!

Nach einem Monat verabschiedeten sich Victoria und Peter mit einem leckeren Essen (was sonst?) und anschließender gemütlicher Runde ums Lagerfeuer.

Zwischendurch waren wir alle im WM-Fußball-Fieber. Hier im Haus wurden ziemlich viele Daumen für das deutsche Team gedrückt! Wenn ich bedenke, wie viele Schwierigkeiten unsere MitbewohnerInnen durch deutsche Behörden häufig erfahren, erstaunt mich ihre begeisterte Parteinahme für die deutsche Nationalmannschaft.

Am Abend des furiosen Viertelfinales zwischen Argentinien und Deutschland gab es bei uns im Haus mal wieder ein schönes Fest: Uta und Dietrich feierten bei schönstem Sommerwetter ihr zusammengezähltes Lebensalter von 90 Jahren. So alt wurde unsere geschätzte Nachbarin „Tante“ Beyer im August tatsächlich!

Anfang Juli flog Birke mit ihren Kindern Jonas und Lea-Susanna in die USA, um verschiedene Catholic–Worker Gemeinschaften zu besuchen und mal zu ‚luschern‘, wie die andern das so machen. Vier Wochen später kamen sie von vielfältigen Eindrücken inspiriert zurück (siehe auch den Artikel „Auf ‚Familien’besuch“).

Elisabeth unterzog sich im Frühsommer einer Bein-OP in einer Spezialklinik in Bayern. Per Brief (Elisabeth benutzt freiwillig weder Internet noch Handy) blieben wir in regem Kontakt und erfuhren von ihren guten Fortschritten bei der Reha. Zu unserer großen Freude kam sie Mitte Juli frohen Mutes zurück nach Hamburg. Wenn ich sie jetzt munter Fahrrad fahren sehe, kann ich kaum glauben, dass das mal anders war.

André musste Ende Juli zu einer letzten Anhörung im Gesundheitsamt, und nun heißt es wieder mal WARTEN, wie schon seit mehreren Jahren!

Unmittelbar nach Victorias und Peters Abreise kam Sandra, eine Studentin der Sozialen Arbeit, aus Bielefeld hier an. Unsere Betten werden einfach nicht kalt! Sie hatte, inspiriert vom ARD-Film über uns, schon vor vielen Monaten Mithilfe angeboten und hat nun einen Monat fleißig hier mitgearbeitet.

Es war dieses Jahr sehr angenehm, in der etwas schwach besetzten Hochsommerzeit, diese tatkräftigen HelferInnen zur Seite zu haben! Herzlichen Dank dafür!

Trotz all der frohen Aktivitäten geht auch die Mühsal des Lebens bei unseren MitbewohnerInnen weiter:

Eleonora sucht nach wie vor Tag für Tag (und zusehends verzweifelter) die Zeitungen nach einer bezahlbaren Wohnung durch, Mehmet vermisst seine Familie, die er schon lange nicht mehr gesehen hat. Sina wartet auf ihren Pass, für dessen Ausstellung sich weder die serbische noch die kosovarische Seite zuständig fühlen.

Seit Ende der Sommerferien ist der Alltag bei uns wieder eingekehrt.

Lea-Susanna kam nach den Ferien in die Schule, Daniel und Elias in die zweite Klasse, Joel geht jetzt aufs Gymnasium, Jonas in die 9. und Nikoloz in die 10. Klasse.

Kürzlich feierte Sandra ihren Abschied, und nächste Besuche und PraktikantInnen haben sich angekündigt.

Ich freue mich, dass ich nun bald Urlaub machen kann.

PS.: Wer wird bei diesem Rundbrief mithelfen? Lassen wir uns überraschen!



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