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Weltsozialforum

Jonathan Ulrich (Kurzzeitfreiwilliger bei B&R) lauscht Katja Strobel beim Offenen Abend zum WSF.

von Katja Strobel / April 2011

Das Weltsozialforum (WSF) fand dieses Jahr vom 6. bis 11. Februar in Dakar, Senegal, statt, zum zweiten Mal in einem afrikanischen Land. Katja Strobel vom Institut für Theologie und Politik (ITP) in Münster nahm daran und am parallel stattfindenden Weltforum für Theologie und Befreiung (WFTL) teil. Bei einem Offenen Abend berichtete sie darüber.

Das WSF wurde in den letzten Jahren parallel zum Weltwirtschaftsforum als Gegenveranstaltung der sozialen Bewegungen abgehalten, um Widerstand gegen die neoliberale Weltwirtschaftspolitik zu mobilisieren und ökonomische, soziale und kulturelle Alternativen aufzuzeigen. Dieses Jahr begann das Forum chaotisch, da die Zusage für die Nutzung der Räume in der Universität von Dakar von einem neu eingesetzten Rektor zurückgenommen wurde.

So fanden parallel zum WSF auch Vorlesungen und sogar Prüfungen statt, was auf beiden Seiten zu vielen Irritationen führte.

Im Lauf der Tage wurden zwar Zelte aufgestellt, die aber reichten längst nicht aus, um die fehlenden Räume zu kompensieren.  

 

Zu Recht war deshalb von Sabotage des WSF durch die senegalesische Regierung die Rede, die möglicherweise auf die Besorgnis angesichts der Revolten in Nordafrika zurückzuführen war. In sehr vielen Veranstaltungen, auch auf dem Weltforum für Theologie und Befreiung, wurde auf den Sturz der Regierung in Tunesien und die Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz in Kairo hoffnungsvoll Bezug genommen.

Bereits beim Eröffnungsmarsch am 6. Februar, an dem ca. 50.000 Menschen teilnahmen, war offenkundig geworden, dass das WSF diesmal – anders als in Nairobi 2007 – von sozialen Bewegungen aus dem Senegal und anderen afrikanischen Ländern geprägt sein würde. Hier begegneten einem vor allem lokale Kooperativen, z. B. von FischerInnen, die gegen die Vergabe der Fischereirechte an die EU demonstrierten oder Frauenkollektive, die sich gewerkschaftlich oder für Rechte von Frauen auf Bildung oder gegen Gewalt organisieren.

Für eine lokale Verankerung der Themen des WSF in Westafrika sorgten auch die verschieden Karawanen, die auf das WSF hin mobilisiert worden waren. Eine davon war die ‚Karawane für Bewegungsfreiheit und gerechte Entwicklung‘ des Netzwerks Afrique-Euro-Interact (AEI). Die Karawane thematisierte die Probleme der Militarisierung der Grenzen durch die EU-Grenzschutzagentur FRONTEX, aber auch die neokoloniale Ausbeutung Westafrikas, z. B. durch Überfischung seitens der EU und durch Landraub. Slogan der Karawane war: „Für das Recht zu gehen und das Recht zu bleiben!“

In einem gemeinsamen Workshop thematisierten das Netzwerk AEI und das ITP Bewegungsfreiheit und gerechte Entwicklung als Herausforderungen für Religionsgemeinschaften. Alassane Dicko von der AME (Assoziation der abgeschobenen Malis) sprach von der unverantwortlichen Politik der EU-Länder, die Flüchtlinge ohne jegliche Unterstützung abschieben. Madame Karambé vom Netzwerk AEI berichtete von der Charta der MigrantInnen, die vom 2. - 4. Februar auf der Insel Gorée verabschiedet wurde und brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass damit größerer politischer Druck auf die Regierungen in Bezug auf das Recht auf Bewegungsfreiheit ausgeübt werden kann.

Der Theologe Boniface Mabanza zeigte die neokolonialen Strukturen z. B. anhand der Subventionen europäischer Exporte nach Afrika auf. Er forderte Kirchenmitglieder sowohl in Afrika als auch in Europa auf, dagegen Widerstand zu organisieren. Zum Problem der MigrantInnen in der EU wurde im Workshop Kritik an den Kirchen laut, die zwar karitative Unterstützung von Flüchtlingen leisten, sich aber schnell zurückziehen, wenn es um die Unterstützung Illegalisierter oder um das Anprangern europäischer Migrationspolitik geht. Mit muslimischen Mitgliedern aus dem Netzwerk AEI wurde andiskutiert, dass es sowohl in der jüdischen und christlichen Tradition wie im Islam Traditionen der Aufnahme von Fremden gibt.

Auf dem WFTL fand die viel beschworene interreligiöse Verständigung nicht statt. Es wurde zwar des öfteren angemahnt, auch Religionskritik zu treiben, statt ständig von der Pluralität der Religionen zu sprechen, aber konkrete Analysen, z. B. zur Religion des Kapitalismus, wurden kaum diskutiert. Kapitalistische Herrschaftsverhältnisse wurden zwar von Jaume Bottey (Spanien), Kochurani Abraham (Indien) und Ulrich Duchrow (Deutschland) angesprochen, eine theologische Analyse dieser Verhältnisse oder Vorschläge, wie theologische Praxis auf diese Herausforderungen antworten könnte, blieben allerdings aus. Was aber nutzt ein idealistisches System toleranter, pluralistischer Theologie als angeblich notwendiges ‚neues‘ Konzept angesichts der realen Ausbeutung der Menschen und Ausplünderung der Ressourcen, die gerade auf dem afrikanischen Kontinent so augenfällig sind?

Auf dem WSF waren am vorletzten Tag die Abschlussversammlungen angesetzt. Wir brachten einiges aus der Erklärung der Versammlungen der sozialen Bewegungen auf dem Abschlusstreffen des WFTL ein, um die realen Verhältnisse zumindest in dieser Form dort präsent zu machen: Kämpfe u. a. für Ernährungssouveränität, Bewegungsfreiheit, Annullierung der Schulden der südlichen Länder, gegen Zerstörung der Biodiversität und gegen sexuelle Gewalt. Auf der Versammlung wurde sehr deutlich, dass die Menschen aus den afrikanischen Ländern die Bevormundung durch den Norden endgültig satt haben, und dass die Revolten in Tunesien und Ägypten Hoffnung auf weiteren Widerstand gegen die neoliberale Politik der reichen Länder und gegen die Anbiederung vieler afrikanischer Regierungen geben.

Diese Entschlossenheit in der politischen Haltung, die sich positiv von anderen Weltsozialforen abhob und die sich auch auf der Abschlusskundgebung zeigte, ist Anlass zur Ermutigung trotz der in letzter Zeit zurückgehenden Bedeutung der Sozialforumsbewegung. Im Gegensatz zu Zentraleuropa, wo viele die Krise des Kapitalismus bereits für überwunden halten und soziale Kämpfe weithin eine Nebenrolle spielen, hat das WSF in Afrika eine wichtige symbolische Funktion inne und seinen Anteil daran, die Aufbruchsstimmung aus Nordafrika in die verschiedensten Regionen weiterzutragen.

Kontakt:

Institut für Theologie und Politik, Friedrich-Ebert-Str. 7, 48153 Münster, Fon: 0251/524738, Internet:www.itpol.de, E-Mail: strobel@itpol.de



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