Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
Arbeit für Frieden und Gerechtigkeit
Gastfreundschaft für Flüchtlinge
Leben in Gemeinschaft
Sophies Blick

von Sophie Rösch / Frühjahr 2019

Wir freuen uns über diesen Beitrag von Sophie, die für ein gutes halbes Jahr bei uns mitgelebt hat und hier einen besonderen Blick auf unseren Alltag wirft. Sophie hat unseren Alltag mit ihrer Lebendigkeit bereichert. Danke!

Für mich geht eine sehr spannende, lehrreiche und intensive Zeit bei Brot & Rosen zu Ende. Als ich im August 2018 begann mitzuleben, hatte ich nur wenig Vorstellung von dem, was mich erwartete. Mein Einblick in das Projekt beschränkte sich zu dem Zeitpunkt auf einen kurzen Besuch, der vor vielen Jahren mit meiner damaligen Jugendgruppe stattgefunden hatte.

Ich war auf die Idee gekommen, bei Brot & Rosen anzufragen, als ich mich im Frühjahr letzten Jahres für einen viermonatigen Kurs an einer Musical-Schule in Hamburg angemeldet hatte und nun nach einer Unterkunft Ausschau hielt.

Als Kind der befreundeten Basisgemeinde Wulfshagenerhütten war ich herzlich willkommen und reiste dann vorfreudig Anfang August aus dem nicht allzu fernen Kiel an.

Obwohl ich durch den Stundenplan der Musical-Schule und das nebenbei Jobben viel außerhalb unterwegs war, habe ich schnell in das Alltagsleben der Hausgemeinschaft gefunden.

Ein großer Bestandteil des Gemeinschaftslebens sind die wild lebendigen Abendessen, die unter der Woche jeden Tag stattfinden. Zugegebenermaßen musste ich mich anfangs ein wenig an das Temperament dieser Zusammentreffen gewöhnen. Wenn viele unterschiedliche Menschen mit verschiedensten Gemütszuständen zusammentreffen – was für eine faszinierende Power.

Je mehr ich mich darauf einließ, desto wertvoller wurden diese Happenings. Nicht nur das bemerkenswert leckere internationale Essen selbst, sondern auch die Begegnung mit meinen Mitbewohner*innen am Abend eines vollen Tages haben mir geholfen, recht schnell eine heimelige und vertraute Verbindung zu diesem Ort und seinen Menschen aufzubauen.

Vor allem am Anfang meiner Zeit und häufig, wenn ich gerade meinem Hausjob nachging, einmal in der Woche abends den Boden in Küche und Essbereich zu putzen, wurde ich von Gefühlen der Dankbarkeit und Begeisterung übermannt.

Da war dann eine Stille in die Räume eingekehrt, wenn die Mitbewohner*innen zum Beispiel nach einem impulsiven Kickerspiel Gute Nacht gesagt hatten, und ich konnte den Tag und meine Eindrücke Revue passieren lassen.

In diesen Momenten bin ich mir sehr bewusst darüber geworden, dass ich gerade Teil eines Projektes sein durfte, in welchem Nächstenliebe und Gastfreundschaft so kompromisslos und radikal und zugleich lebensnah und realistisch gelebt werden, wie ich es kaum zuvor gefunden habe.

Über die gesamte Zeit, hatte ich die Möglichkeit, Einblick in die verschiedenen Wirkungsbereiche zu bekommen und bei politischen Aktionen oder Gottesdiensten dabei zu sein. Ich bin fasziniert von der weiten und diversen Vernetzung, die Brot & Rosen als politische Gruppe hat. Auch wenn der Fokus in der alternativen Migrationspolitik und deren zeichenhafter Umsetzung liegt, finden hier auch Offene Abende zu anderen hochaktuellen Themen statt. Zu diesen wird öffentlich eingeladen und damit nicht nur Beziehung zu Freund*innen, Nachbarschaft und Mitaktivist*innen gepflegt, sondern auch die Möglichkeit zur politischen Bildung gegeben.

Ich selbst tue mich oft schwer, das Weltgeschehen wirklich konsequent zu verfolgen. Weil ich momentan nicht nur viel mit meinen eigenen Prozesse beschäftigt bin, sondern auch vieles in scheinbarer Ausweglosigkeit sehr frustrierend finde und die Themen des Leids und der Ungerechtigkeit in der Welt ein Fass ohne Boden zu sein scheinen.Wenn ich morgens in die Küche komme, sitzt bestimmt jemand am Frühstückstisch und liest die Zeitung und es wird in der Runde über Aktuelles geredet. Es war neu für mich, dass das Bewusstwerden über die Realität so stark in den Alltag integriert wird und es dabei aber nicht bleibt. Stattdessen werden Alternativen und Antworten aktiv gelebt.

So durfte ich zum Beispiel die wöchentliche Mahnwache, die jeden Donnerstag vor der Ausländerbehörde stattfindet, als etwas kennenlernen, was ganz konkret die Brücke von der Bewusstwerdung und Anteilnahme schlägt zur politischen Präsenz und Zeichensetzung. Damit wird auch die lauernde Resignation entmachtet.

Seit Jahren wird hier auf die Straße gegangen, um die Botschaft zu verkünden, dass es immer noch Menschen gibt, denen durchaus bewusst ist, dass ein Mensch nicht illegal sein kann. Die Kontinuität und Friedlichkeit, mit welcher das durchgezogen wird, beeindrucken mich tief.

Ich finde den Umgang mit Konsumgütern, der hier gepflegt wird, sehr beispielhaft für ein ganzheitliches Lebenskonzept. Die zahlreichen Lebensmittelspenden verschiedener Quellen und deren Weiterverarbeitung sorgen nicht nur für kulinarische Vielfalt, sondern sind für mich auch Ausdruck höchster Wertschätzung der Nahrung und unseres Privilegs, diese im Überfluss zu haben.

Während es für mich wirklich hart ist mit anzusehen, wie viel vor allem in der Gastronomie weggeschmissen wird, ist es umso befriedigender, möglichst viel von unseren geschenkten Lebensmitteln zu verwenden und manchmal einfach das Beste daraus zu machen. Für mich konnte es unten im Gemüsebereich gar nicht genügend verdellte Äpfel und Birnen geben, die nur darauf warteten, als Mus zu enden.

Dabei habe ich gemerkt, dass auch ich die Tendenz habe, manchmal aus Faulheit oder Unachtsamkeit, sehr verschwenderisch mit Lebensmitteln umzugehen. Aber mir die Zeit zu nehmen, schlechte Trauben von den wunderbar essbaren zu trennen, erinnert nicht nur daran, dass jede einzelne Frucht mal viel Energie aufgebracht hat, um für mich zu wachsen, sondern hat auch eine entschleunigende, meditative Wirkung.

Mir ist bewusst, dass dieser konsequente Fokus auf ein nachhaltiges Miteinander durch den Umstand, in einer größeren Gruppe zu leben, deutlicht begünstigt und vielleicht auch erst möglich wird.

Das ist einer von vielen Aspekten, die Gemeinschaftsleben für mich so attraktiv machen.

Ich entschied mich deshalb, nach Beendigung des Kurses Anfang Dezember, noch etwas länger bei Brot & Rosen mitzuleben. In der geplanten Zeit zwischen Neujahr und Ende Februar, hatte ich die Möglichkeit, tiefer in das Alltagsgeschehen einzutauchen. Ich hatte ein paar mehr Aufgaben und vor allem konnte ich mehr im Haus und Alltag anwesend sein.

Die morgendlichen Andachten zum Beispiel ermöglichen, gemeinsam und bewusst in den neuen Tag zu starten. Auch wenn alle Mitbewohner*innen ihre jeweils individuellen Abläufe und Termine haben, gibt es zwischendrin immer mal Zeit für Begegnung und Gespräch oder eine gemeinsame Mahlzeit. Sich gegenseitig zu unterstützen und zu begleiten ist überall wichtig – und hier manchmal ganz besonders.

Auch wenn dieser Abschnitt nun zu Ende geht und ich bald weiterziehen werde, ist Brot & Rosen in dieser Zeit für mich zu einem Zuhause geworden. Ich bin dankbar für die sehr reichhaltige Erfahrung, die ich hier machen durfte und freue mich darauf, weiter von euch lernen und in Verbundenheit und Zusammenarbeit mit euch zu sein.



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