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"Nightwind" - mehr als ein Theaterstück

Hector Aristizábal „Nightwind“

Hector Aristizábal zeigt beim Offenen Abend, wie er mit Gruppen an der Verwandlung von Gewalterfahrungen arbeitet

von Birke Kleinwächter, Barbara Helmchen und Ilona Gaus / Juni 2008

Am 1. April hatten wir Hector Aristizábal mit seinem Theaterstück „Nightwind“ beim Offenen Abend zu Gast. Hector verließ 1989 seine Heimat Kolumbien, nachdem er schwere Folter erlitten hatte und mehrfach mit dem Tode bedroht worden war. Hector lebt heute in den USA und arbeitet mit Menschen, die von Unterdrückung, Gewalt und Folter betroffen sind. Hector, ein ausgebildeter Psycho­therapeut, bedient sich der Methoden des „Theaters der Unterdrückten“ nach Augusto Boal und versucht Menschen zu helfen, ihre Erfahrungen der Gewalt nicht nur zu überleben, sondern zu verwandeln. „The Blessing is next to the Wound“ ist ein afrikanisches Sprichwort, das Hector dafür ver­wendet. Hier drei Eindrücke von diesem besonderen Abend, zu dem über 40 Menschen kamen. (DG)

Die Begegnung mit Hector Aristizábal war tief bewegend und besonders eindrücklich, weil wir TeilnehmerInnen aktiv ... einbezogen und nicht nur verstandesmäßig, sondern auch emotional angesprochen wurden.

Was mich bewegte: Das 30minütige Solo-Theaterstück mit einfachsten Mitteln über Hectors eigene Foltergeschichte, über seinen Schmerz, die drohende Verrohung seiner selbst und die Überwindung dieses Traumas. Vor uns stand ein fröhlicher Mann, den ich ohne Wissen nie für ein Opfer brutalster Folter gehalten hätte. Er konfrontierte uns mit seinen Erlebnissen. Ja, Folter gibt es, es gibt Folternde und Folteropfer.

Emotional kehrten das Betrachten und die direkt anschließende Nachverarbeitung persönliche Themen in mir hervor, die ich längst überwunden geglaubt hatte. Sie hatten mit dem Stück nichts zu tun, aber vielleicht kam ich so dem Folteropfer Hector gefühlsmäßig nahe, indem die eigene Trauer oder Verzweiflung noch einmal hochgespült wurde.

Hector ließ uns mit unseren Gefühlen nicht allein. Für das „Gift“ in uns galt es das „Gegengift“ zu finden. In einem anschließenden Workshop führte er uns ein in die Kunst der „Imaginaction“: In einer Meditation, die darin bestand, wild und verrückt zu sein, schüttelten wir das zuvor Erlebte ab. Das war zunächst befremdlich, aber, als ich mich darauf einließ, lustig und befreiend. Allein und in Gruppen stellten wir unsere Reaktionen auf das Theaterstück in Standbildern dar und entwickelten allein und gemeinsam Gegenbilder. Hector wollte zeigen, dass es zu jedem Bild, zu jeder Situation eine Vielzahl von Antworten gibt. Und jede hat ihren Wert! Er benutzt das Rollenspiel als Methode, um (eigene) Handlungsmöglichkeiten zu erweitern.

Übrigens arbeitet er immer mit dem Prinzip der Freiwilligkeit, der „Einladung“: Wer mag, darf sich eine Geste ausdenken. Man kann auch einfach zugucken. Hatte dann eine Gruppe etwas dargestellt, so lud er die BetrachterInnen ein, ihre Beobachtungen zu äußern. Ein Ring von Menschen mit ihren Gesichtern nach außen wurde so wahlweise zu einer Wagenburg oder einem Ausdruck von Solidarität oder Revolution.

Hector aber, und das beeindruckte mich sehr, konnte hier einfach sehen: In diesem Kreis sind mehr Frauen als Männer. Mich lehrte das in dem Moment, eine Situation erst einmal nur so zu sehen, wie sie ist. Jede Interpretation ist eine Aussage über mich - oder, wie Hector es formulierte: „Durch die Deutung eines Bildes weißt Du, mit wem Du arbeitest.“

Birke Kleinwächter

 

Ein bewegender Abend

Der offene Abend im April war ganz anders:

Hector kam und teilte mit uns einen Teil seiner Geschichte: die Jugend in Kolumbien - einen Start ins Leben voller Unterdrückung, Folter, Gefängnis und Tod.

Und er hielt uns keinen moralisierenden Vortrag, sondern spielte die Geschichte einfach, spielte alle Rollen: sich selbst, seinen Bruder, die Soldaten, die trauernde Mutter. Wenig Requisiten waren nötig: Ein flacher Tisch diente als Schreibtisch, Bühne, Sitzgelegenheit und schließlich als Bahre für den toten Bruder; zwei schwarze Tücher als Augenbinde, Handfessel, Elektrokabel und am Ende als Leiche des Bruders, die er von der Bahre aufhob und uns zu Füßen legte...

Das Wichtigste für mich aber war Hector selbst: Sein Körper war das wichtigste Requisit. Mit ihm und durch ihn führte er uns eine ganze Palette von Gefühlen vor Augen, nahm uns mit hinein in das Spiel – es atmete und wir mit ihm. Nach einer kleinen Pause spielten wir selbst ein paar Szenen.

Unsere Gefühle fanden ihren Ausdruck und wir bekamen mit Hilfe der Sprache unseres Körpers eine Ahnung vom eigenen kulturellen Eingebundensein.

Ein bewegter und deshalb bewegender Abend, der glücklicherweise mit dem Versprechen endete, im nächsten Frühjahr wieder zu kommen. Ich freu mich drauf.

Barbara Helmchen (Nachbarin und Freundin von B&R)

 

Folter

Grausam, unerträglich,

ich will das nicht sehen,

will nichts davon wissen

Was kann ich tun?

Ich fühle meine eigene Hilflosigkeit,

meine Schutzlosigkeit,

und das macht Angst,

das macht taub und blind und stumm.

Starr sein

das ist wie tot sein.

Ich brauche etwas, das mich

in Bewegung bringt

– atmen, tanzen, schreien! –,

dass die Starre von mir weicht!

Und schließlich

Gemeinschaft

Schutz, Trost, Stärkung,

von den andern,

für die andern.

Das ist nötig zum Leben

und leben lassen.

Ilona Gaus



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