Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
Arbeit für Frieden und Gerechtigkeit
Gastfreundschaft für Flüchtlinge
Leben in Gemeinschaft
"Eine Ermutigung für uns"

Dietrich Gerstner und Birke Kleinwächter von Brot & Rosen

von Elvin Hülser / März 2013

Am 9.12.2012 wurden wir mit der Sievershäuser Ermutigung ausgezeichnet. Die folgende Rede hielt der Vorsitzende des „Antikriegshauses“ Elvin Hülser als Begründung der Jury. Wir geben sie hier stark gekürzt wieder.

Seit bald 25 Jahren verleiht die Dokumentationsstätte zu Kriegsgeschehen und über Friedensarbeit Sievershausen ihren Friedenspreis, die 'Sievershäuser Ermutigung'. Zu wechselnden Schwerpunkten wird die Sievershäuser Ermutigung für konstruktive Beiträge zur Friedens- und Menschenrechtsarbeit ausgeschrieben. Beiträge, die Ermutigung verdienen und die gleichzeitig auch uns, die wir von dieser Arbeit erfahren, ermutigen. (...)

Auch in diesem Jahr hat die Sievershäuser Ermutigung eine internatonale Perspektive, aber gleichzeitig hat sie unmittelbar mit uns zu tun: Mit Menschen, die in unserem Umfeld leben und denen wir täglich begegnen könnten – und dies vielleicht sogar tun; mit unserer Gesellschaft, die sich für eine Problematik unzuständig erklärt, die an ihren Rändern schwelt. Und mit unserer Politik, die um die Brisanz eigentlich weiß, aber entweder nicht will oder sich – auch gegenüber uns Bürgern – nicht traut, sich der unhaltbaren Zustände anzunehmen.

Denn unhaltbar sind die Zustände, in denen Menschen ohne Papiere, Menschen also, die keinen offiziellen Aufenthaltsstatus haben, in Deutschland leben.

Diese Menschen fliehen vor der Situation in ihren Heimatländern, vor Armut und Hunger, oftmals vor Krieg oder Verfolgung. Sie sind auf der Suche nach einer besseren Zukunft für sich und ihre Familien. Doch Europa schottet sich mit einer restriktiven Asylpolitik und rigidem Grenzregime zunehmend ab.

Vor diesem Hintergrund tauchen diese Menschen unter und werden zu Unsichtbaren. Unsichtbar zu sein bedeutet in der Realität, weitgehend rechtlos zu sein. Es ist ein Leben am Rande der Existenz, im Versteck und auf der Flucht vor den Behörden, wehrlos gegenüber offenkundiger Ungerechtigkeit, z.B. bei überhöhten Mieten, viel zu niedrigen Löhnen in der Schwarzarbeit oder sexuellen Übergriffen. Es ist ein Leben ohne Zukunft, v.a. für die Kinder, die zumeist keine Kindergärten oder Schulen besuchen können. Es ist ein Leben ohne gesicherten Zugang zu medizinischer Versorgung.

Und wie reagieren wir darauf?

Wir gucken weg. Wir gucken weg, weil es uns unangenehm ist, weil es uns in unserem Alltag stört. Flüchtlinge werden zunehmend als Bedrohung wahrgenommen, als Bedrohung für unseren Wohlstand, für unsere Sicherheit, für unsere kulturelle Identität gar!

Aber sind es diese verzweifelten Menschen, die in überfüllten Fischerbooten das Mittelmeer zu queren versuchen, die sich über grüne Grenzen schmuggeln lassen oder auf anderen verschlungenen Pfaden nach Europa und Deutschland kommen, die diese Ängste hervorrufen? Sind es diese Menschen? Oder sind diese Flüchtlinge, diese 'Fremden' nicht vielmehr nur eine Projektionsfläche für unsere Ängste vor wirtschaftlichem und sozialem Abstieg, politischem und kulturellen Bedeutungsverlust? Was wir darüber aus dem Blick verlieren, sind unsere eigenen Werte der Humanität. Und es sind die Menschen, die als Flüchtlinge aus unterschiedlichsten Gründen zu uns kommen, die wir aus dem Blick verlieren. Sind wir noch fähig zum Mitgefühl und zur Nächstenliebe? Sind wir noch bereit, uns mit den Schicksalen auseinanderzusetzen? Achten wir Menschenwürde und Menschenrechte im Alltag? Leben wir mit anderen Worten die Werte, die wir in der Welt zu verteidigen so gerne vorgeben? Werden wir unserer ethischen, politischen und historischen Verantwortung gerecht?

Die PreisträgerInnen

Wir zeichnen mit der Sievershäuser Ermutigung 2012 zwei unterschiedliche Initiativen auf dem Feld der Arbeit mit Menschen ohne Papiere aus, die jene Menschlichkeit beweisen, von der jegliche Zivilisation, Kultur und Demokratie lebt. Und sie sind Gott sei dank nicht die einzigen, die sich in diesem Sinne engagieren.

Die Diakonische Migrationsarbeit für Personen mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus (kurz:DiaMiPa) des Diakonischen Werkes Hannover arbeitet seit 2008 zusammen mit der Malteser Migranten Medizin und dem Krankenhaus Friederikenstift auf dem Gebiet der medizinischen Versorgung für Menschen ohne Papiere. Aber DiaMiPa beschränkt sich nicht auf die Vermittlung medizinischer Hilfe, sondern bietet den untergetauchten Flüchtlingen auch Hilfe bezüglich ihrer gesamten Lebenssituation. Hierzu greift DiaMiPa auf ein Netzwerk von Gewerkschaften und Rechtsanwälten, Frauenhäusern, Einzelpersonen und Organisationen zurück. Das ist auch eine Ermutigung für uns.

Ermutigt hat die Jury der Ansatz der christlichen Basisgemeinschaft Brot & Rosen. Dieser geht über die 'Arbeit' mit Menschen ohne Papiere weit hinaus und zeigt, dass es sich lohnen und dass es gelingen kann, neugierig zu sein und sich auf andere Menschen einzulassen. Die Basisgemeinschaft Brot & Rosen betreibt ein Haus der Gastfreundschaft, in dem sie selbst mit Flüchtlingen lebt, die den Weg hierher finden. Sie bietet eine Zuflucht, in der Flüchtlinge zur Ruhe zurückfinden, durchatmen und neue Perspektiven entwickeln können. Inspiriert ist dieses Konzept von christlichen Gemeinschaften in den USA, die eine Kombination von sozialem Dienst, politischer Aktion und Gemeinschaft leben. Hier begegnen sich Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund auf Augenhöhe, hier bauen Menschen ganz verschiedener Kulturen auch Freundschaften miteinander auf und begegnen sich nicht als Flüchtling und Sozialarbeiter. Sie zeigen, dass dies möglich ist. Auch Brot & Rosen engagiert sich selbstverständlich in der Flüchtlingsarbeit, versucht konkret zu helfen und politisch etwas zu verändern. Aber der Ansatz des Zusammen-Lebens ist etwas Besonderes, der auch in weiterer Perspektive ermutigend ist und Ermutigung verdient.

Wir wünschen uns, dass dieser Friedenspreis seinem Namen gerecht wird und für die Menschen in den Initiativen eine Ermutigung sein kann, ihren Weg weiter zu gehen. Wir wünschen Ihnen für diesen Weg viel Unterstützung und gutes Gelingen. Und wir erhoffen uns, dass der heutige Nachmittag Menschen inspiriert und ermutigt, diese Arbeit und die Anliegen zu unterstützen.

Zitat aus Herbert Schmalstiegs Laudatio:   Betrachten wir die Lage auf unserer Erde, dann darf es uns nicht gleichgültig sein und es darf uns doch auch nicht wundern, dass es heute aus unterschiedlichen Gründen Menschen gibt, die sich auf den Weg in eine andere, für sie bessere Welt machen. Dr. h.c. Herbert Schmalstieg, 9.12.12

Die Rede von Elvin Hülser und die Laudatio von Herbert Schmalstieg, SPD / Oberbürgermeister von Hannover a.D., sind in voller Länge auf der Internetseite www.antikriegshaus.de zu finden.



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