Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
Arbeit für Frieden und Gerechtigkeit
Gastfreundschaft für Flüchtlinge
Leben in Gemeinschaft
Grüße aus der Franziskusgemeinschaft Pinkafeld

von Ursula Siegmund / September 2004

(eingeleitet von Uta Gerstner) Im Sommer war's soweit. Alles eingepackt, Reiseproviant gerichtet und los ging's mit unseren Jungs Richtung Süd-Ost ins österreichische Burgenland, um unsere "alte" Catholic Worker-Freundin Ursula Siegmund und ihr neues Zuhause, die Franziskusgemeinschaft in Pinkafeld, zu besuchen.

Sehr freundlich wurden wir dort empfangen, durften die ganze Gästewohnung in Beschlag nehmen und konnten die Gemeinschaft kennen lernen. Bei den täglichen Gebetszeiten in der schönen Holzkapelle nahmen wir (abwechselnd) teil, genossen bei den gemeinsamen Mahlzeiten im großen Essraum Brot und Käse aus eigener Herstellung und erkundeten mit den Kindern das weite Gelände ringsherum.

Die vielen Tiere gefielen unseren Jungs sehr: Zwei Kühe mit Kälbchen, 18 Schafe, zwei Schweine, 130 Hühner mit manchmal ohrenbetäubendem Gegacker im Hühnerstall ("Die sind gerade beim Eierlegen!"), dazu noch einige Stallhasen, zwei Enten (gegen die Schnecken im Garten) und einige wilde Katzen.

Joel schloss Freundschaft mit dem Schäfchen Moses. Elias lief unerschrocken zwischen den Hühnern umher und scheuchte den Hahn. Nur am dunklen Kuhstall trauten sie sich kaum vorbei: "Kuh Angst!" Nie sahen wir jemanden in Hetze oder Stress bei den verschiedenen Arbeiten, vielmehr scheinen alle den Geist der Gelassenheit zu atmen. Danke fürs Mitleben und Kennenlernen.

Zum Abschied baten wir Ursula, uns aus ihrer Innensicht mehr über ihre Gemeinschaft zu erzählen.

 

Liebe Schalom-Geschwister von Brot und Rosen,

Es war herrlich, Dietrich und Uta, Joel, Elias und Daniel im Juli bei uns zu haben! Danke für die Verbundenheit über alle Entfernung und Verschiedenheit hinweg - sie ist mir und uns sehr wertvoll!

Ihr habt mich gefragt, wieso ich, Catholic Worker-begeistert und -geprägt wie Ihr, in der Franziskusgemeinschaft lebe - hinterstes Burgenland und so...? Und: ich soll es einfach so schreiben, wie es wirklich war und ist... Nun ja ... so "einfach" ist das gar nicht...

Angefangen hat das alles 1992/93 mit meinem Jahr im Catholic Worker-Haus "Bread and Roses" (B&R) in Olympia (Westküste USA), wo ich zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl hatte, ein Ganzes zu sein und nicht eine Ansammlung von verschiedenen Rollen - ein ganzer, freier, glaubender, liebender, denkender, fühlender, nach meinen Überzeugungen handelnder Mensch. So wollte ich leben!

Dass der Ort dafür dann kein Catholic Worker-Haus wurde, sondern die Franziskusgemeinschaft in Pinkafeld / Österreich, hat seine eigene lange Geschichte: nein, die Franziskusgemeinschaft war keine "Liebe auf den ersten Blick" - ich bin ihr (bzw. ihrem deutschen Zweig in Sachsen) gleich nach meinem USA-Jahr begegnet und war zwar beeindruckt von ihrer radikalen Lebensweise, aber auch abgeschreckt von den ungewohnten katholisch-frommen Formen. Und so kreiste ich 10 Jahre mit wechselndem Abstand um die Franziskusgemeinschaft herum. Und es ist für mich immer noch ein staunenswertes Wunder (an dem auf eigene Weise auch unser Kurs vom Oekumenischen Dienst, 2 ½ Jahre Bosnien und die Gemeinschaft der Kleinen Schwestern Jesu mitgewirkt haben), dass ich mich nach so langer Zeit so heftig "verliebt" habe in dieses Leben und diese Gemeinschaft. Der Weg bis dahin war allerdings keineswegs nur "wunderbar", sondern manchmal ganz schön steinig. Wie viel habe ich da loslassen müssen - an Ideen, festen Vorstellungen, Vorbehalten, Zweifeln, Sicherheiten, Kontrolle! Die Sehnsucht nach dem vollen Leben ist eine starke Zugkraft, aber wenn das Loslassen nicht dazu kommt, nützen die schönsten Träume nichts. Und so habe ich nun mit fast 50 Jahren hier, im hintersten Zipfel Österreichs, ungeplant und für mich selbst zeitweise immer noch fast unglaublich, ein Zuhause gefunden, wo tatsächlich all das Platz hat, was mir wichtig ist: Gemeinschaft, Gastfreundschaft, ein einfaches Leben, respektvolles Teilen mit den Ausgegrenzten unserer Gesellschaft und den Menschen im Süden und Osten, viel Hand-Arbeit, politisches Engagement (z.B. unsere Mitarbeit bei Pax Christi und dem Internationalen Versöhnungsbund oder auch unser "Weltladen") - und in all dem auch mein Glaube, in aller Freiheit, ohne Einengung und mit vielen offenen Fragen. Dazu noch vieles, was mir einfach Freude macht: Leben mit der Schöpfung, vier Generationen unter einem Dach, unsere vielen verschiedenen beruflichen und geistlichen Hintergründe, eine unglaubliche Vielfalt - und mit mir kam dann auch noch ein Stückchen CW-Tradition dazu.

Die Franziskusgemeinschaft ist eine "wilde Mischung" aus Kloster und Catholic Worker Farm. Na, Ihr habt es ja erlebt - und meintet, wir wären Peter Maurins Traum von der grünen Revolution ziemlich nahe. Gastfreundschaft ist nicht unser Gemeinschaftszweck, aber sie ist selbstverständlicher Bestandteil unseres Lebens. Die Gäste "laufen mit", d.h. wir nehmen sie mit hinein in unseren Alltag. Natürlich bemühen wir uns auch um Zeit und Offenheit für Gespräche, aber die entwickeln sich eher während der gemeinsamen Arbeit als auf Verabredung. Für unsere Gäste (meist so 1-3 Dauergäste und dazu ein paar Besucher für einige Tage) ist es leicht, in unserer kaum technisierten Haus- und Landwirtschaft, in Garten und Gewächshaus, auf dem Feld oder im Wald, beim Kochen für 25-30 Menschen und bei der Verarbeitung von Gemüse, Obst und Milch usw., einen ihren Möglichkeiten entsprechenden Platz zu finden. Hier kann jede/r helfen und damit einen wichtigen Beitrag zum gemeinschaftlichen Leben leisten.

Unsere Gäste kommen aus allen möglichen Situationen zu uns: junge Menschen auf der Suche nach einem Halt, gutsituierte WienerInnen mit dem Gefühl, dass ihrem Leben etwas fehlt, Obdachlose, Ordensleute auf Auszeit, Flüchtlinge, PilgerInnen, Ausgestiegene, Müdegewordene, Menschen auf der Suche nach Orientierung, nach Sinn in ihrem Leben - die Gemeinschaft hat lernen müssen, wie viele und welche Art Gäste sie wie lange gleichzeitig verkraftet, und der Lernprozess geht weiter und fordert uns immer neu heraus. Denn schließlich haben wir auch den "Betrieb" aufrecht zu erhalten und unsere zurzeit 3 Kinder (8 bis 14) und 2 Alten (85, 89) zu versorgen - und werden außerdem selbst älter... Ja, das ist ein Problem: von uns 18 Erwachsenen, die wir ständig hier leben, sind 9 zwischen 59 und 69 Jahre alt.

Wir leben von unseren Produkten und verkaufen unsere Überschüsse, bekommen ein paar Renten und Kindergeld, auch etwas Miete für einen Hof, den wir geerbt haben, manche Gäste spenden etwas - jeden Monat geben wir einen Anteil unserer Einkünfte und am Ende des Jahres das, was übrig blieb (abgesehen von einer Rücklage für Baureparaturen), auf unser "Teilenkonto" für die Projekte unserer FreundInnen in Afrika, Süd- und Mittelamerika und Osteuropa, für die wir außerdem in unserer Zeitschrift "Francesco" werben. Ich sage bewusst "FreundInnen", denn wir kennen die Menschen und die Projekte, die wir unterstützen, durch Brief- und Telefonkontakt und oft auch durch gegenseitige Besuche.

Wir leben sehr gut, glaube ich, auch wenn manche meinen, dass wir "einfach" leben. Wir haben alles, was wir brauchen. Natürlich: wir haben nur ein Auto, unsere Kleidung ist überwiegend aus der Kleiderkammer, und Reisen sind eher selten. Aber wir haben einen wunderschönen Hof, mehr als genug zu essen, wir sind alle krankenversichert und das Geld hat bisher immer auch für die hohen österreichischen Zuzahlungen gereicht. Und wir haben 45 Euro Taschengeld monatlich zur freien Verfügung. Im Vergleich zu unseren ProjektpartnerInnen in Ost und Süd sind wir damit unendlich reich. Und dass wir außerdem Zeit füreinander haben und dass Gebet und ein sehr vielseitiger Alltag ineinander verwoben sind, macht uns auch im Vergleich zu unseren "normal lebenden" europäischen Mitmenschen sehr, sehr reich. Ein "Leben in Fülle" - wahrhaftig! Und wie ist das jetzt mit den mich so abschreckenden "katholisch-frommen" Formen weitergegangen? Auch das ist sicher eine Geschichte vom "Loslassen" -

Die Franziskusgemeinschaft in Pinkafeld ist österreichisch - röm.-kath. geprägt, das ist offensichtlich für jede/n, der hierher kommt, und mir immer noch manchmal zum Erschauern fremd. Aber ich erlebe, dass hier Ökumene wirklich (wie es in unserem Faltblatt heißt) täglich gelebte Realität ist - respektvolle Ökumene mit anders Denkenden, anders Empfindenden, anders Feiernden, anders Glaubenden, mit anders katholischen, mit protestantischen, jüdischen, muslimischen und auch mit "bekenntnislosen" Nachbarn, Gästen und FreundInnen aus aller Welt.

In einer jetzt 23jährigen Tradition des Miteinander-auf-dem-Weg-seins hat die Gemeinschaft ihre Lebensform entwickelt und entwickelt sie weiter. Unser Zusammenleben, unsere Gebetsformen, unsere Landwirtschaft, unsere Gastfreundschaft, unser politisches Engagement - alles, alles, was wir täglich zu leben versuchen, ist überhaupt nicht "perfekt" und deshalb auch nicht "in Stein gemeißelt", sondern LEBEN pur. Das ist manchmal anstrengend, aber ich glaube, dass gerade dies "Freundin Geist" Platz schafft zum Wehen und Stürmen.

Übrigens: mir tut die Verwandtschaft mit Euch protestantischen Catholic Workers gut! Die CW-Bewegung ist Teil meiner Geschichte und jetzt auch (mit mir hier und Eurem Besuch, dem hoffentlich weitere folgen) Teil unserer Gemeinschaftsgeschichte. Ich jedenfalls wünsche mir immer wieder solche lebendigen und fruchtbaren Begegnungen!

Herzliche Grüße nach Hamburg! Schalom - Pace e Bene -

Eure Ursula



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