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Pazifismus und offene Grenzen

von Ullrich Hahn / Dezember 2017

Bei der Jahrestagung des Versöhnungsbundes im Mai in Arendsee erinnerte Ullrich Hahn an die Flüchtlingskrise von 1938, als nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich der Auswanderungsdruck auf alle jüdischen BürgerInnen enorm stieg. Bei einer Konferenz von 32 Staaten im französischen Evian fand sich kein Staat bereit, JüdInnen aus Deutschland aufzunehmen. In diesem Kontext stellte er seine Thesen zu offenen Grenzen in einer Arbeitsgruppe zur Diskussion.

I. Grundsätze
1. Die Haltung des Pazifismus tendiert zur Öffnung von Grenzen.
Eine wirksame Grenzkontrolle setzt Gewalt voraus in Gestalt von Mauern, Zäunen, Überwachung bis hin zum Schusswaf-fengebrauch und der lebensgefährlichen Abwehr und Zerstö-rung von Flüchtlingsbooten auf hoher See. Die Absage an jede Form verletzender und tödlicher Gewalt verträgt keine geschlossenen Grenzen.
2. Pazifismus beruht auf der Vorstellung der einen Mensch-heit und dem gleichen Lebensrecht aller einzelnen Menschen, auch wenn sie uns fremd oder gar feindlich gesinnt sind. Sie sind immer „welche von uns“.
Dem Menschenrecht ist eine Obergrenze fremd. Auch der / die Letzte in einer Reihe hat noch das gleiche Lebensrecht wie die Ersten.
3. Bei der Vorstellung offener Grenzen geht es nicht um deren Abschaffung, sondern um ihre Durchlässigkeit. Grenzen sind im Zusammenleben von Menschen in vielerlei Hinsicht notwendig. Sie schützen und sichern den für mich notwendigen Raum meiner Freiheit und damit meiner Person. Auch kommunale und Landesgrenzen sind sinnvoll und hilfreich im Sinne einer Zuordnung von Verantwortung, d.h. der Zuständigkeit in Bezug auf die Verwaltung des gegliederten Gemeinwesens.

II. Ängste
Die Forderung nach offenen Grenzen erzeugt – verständli-cherweise - vielfältige Ängste, die einer politischen Umset-zung dieser Idee im Wege stehen. Dagegen gilt es zu erinnern:
4. Nur ein geringer Teil der weltweit gezählten Flüchtlinge erreicht überhaupt die Industriestaaten. Der größte Teil wird in Nachbarregionen der Krisengebiete aufgenommen.
Die Angst vor und entsprechend die Abwehr gegen die Flüchtlinge ist umso größer, je weniger Menschen mit fremder Staatsangehörigkeit in einem Staat oder Landesteil leben. Die große Zahl verliert ihre Angst machende Größe, wenn wir uns für die Erzählung der einzelnen Menschen öffnen. Weniger die Argumente, sondern eher die Begegnung öffnet uns – und damit unsere Grenzen für andere Menschen.
5. Die Bindung an Heimat, Kultur und Sprache sind i.d.R. so stark, dass Menschen sich nur in größter Not zur Flucht in die Fremde entscheiden. Ohne gewichtigen Grund verlässt niemand auf Dauer seine Heimat.
Fluchtgründe sind keine Naturereignisse. Sie sind von Men-schen gemacht und deshalb politisch zu beeinflussen.
Ziel einer jeglichen Politik, die die Notwendigkeit massen-hafter Flucht vermeidet, muss sein, das Leben in jedem Land lebenswert zu gestalten und zu erhalten.
Ein aktiver Pazifismus fördert eine solche Politik, in dem wir uns gegen Krieg, Rüstungsexporte und für eine gerechte Weltwirtschaft einsetzen.

III. Ansätze
6. Es gibt sie schon, die offenen Grenzen:
- Im Binnenraum der EU, für die Angehörigen der reichen Industriestaaten und für die reiche Elite aus allen anderen Staaten (Anhang II zur EG-Visaverordnung; § 21 Aufent-haltsgesetz),
- im Freihandel, der von den exportorientierten Industriestaa-ten befürwortet und weltweit durchgesetzt wird, -
z.B. in Ecuador: nach Artikel 40 der Landesverfassung gilt kein Mensch auf dem Staatsgebiet als illegal. Jeder Auslän-der hat das Recht auf Gleichbehandlung.
7. Erste Schritte können sein:
a. Die Erweiterung von Aufnahmeprogrammen, d.h. Kontingente gemäß § 23 Absatz 1 u. 2 Aufenthaltsgesetz oder Resettlement, § 23 Abs.4 Aufenthaltsgesetz.
b. Humanitäre Visa, Artikel 25 Visa-Codex der EU.
Aufhebung der Visapflicht
z.B. für Syrien, Afghanistan, Irak
Die Erweiterung der Arbeitsmigration entsprechend § 26 Abs.2 Beschäftigungsverordnung.
c. Durch Veränderung des Dublin-Systems im Sinne einer Solidarität zwischen den Staaten der EU einerseits und den Flüchtlingen andererseits durch gerechte Lastenverteilung und die Verbindlichkeit der eigenen Wünsche der Flüchtlinge für einen bestimmten Zielstaat.

IV. Das Land verwandeln
8. Flüchtlinge bringen eine doppelte Botschaft mit – von dem weltweiten Unrecht, das sie zur Flucht gezwungen hat und von den ungerechten Zuständen im Zielland, die ihnen die Aufnahme erschweren.
Hierzu gehört vor allem die immer größer werdende Schere von Arm und Reich, die zur Konkurrenz des armen Teils der Bevölkerung mit den gleichfalls mittellosen Flüchtlingen führt auf dem Wohnungsmarkt und bei den Sozialleistungen. Unverträglich mit der Aufnahmefähigkeit für Einwanderer ist das Privateigentum am Boden. Der verfügbare Raum ist zunehmend in privater Hand von Menschen, die ihn selbst nicht nutzen. Eine Lösung wäre die Umwandlung von Privateigentum am Boden in Nutzungsrechte, die durchaus Generationen überschreitend ausgestaltet sein können.
Wenn wir uns Gerechtigkeit für Einwanderer und Flüchtlinge wünschen, ist dies wohl nur zu haben über die Verwandlung der bestehenden in eine gerechte Gesellschaft.

Ullrich Hahn, Präsident Versöhnungsbund, Deutscher Zweig



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