Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
Arbeit für Frieden und Gerechtigkeit
Gastfreundschaft für Flüchtlinge
Leben in Gemeinschaft
Einen Aufbruch für das Reich Gottes wagen!

von Anne und Manuel Beyer / Dezember 2012

Seit September 2012 leben Anne und Manuel Beyer als Paar bei Brot & Rosen. Sie erzählen uns von ihrem Weg hierher, ihren ersten Erlebnissen und von ihren Beweggründen, warum sie jetzt im “Haus der Gastfreundschaft” mitleben.

Anne: Nach dem Abschluss meines Psychologiestudiums habe ich drei Jahre lang in einer stationären Jugendhilfeeinrichtung gearbeitet. Dort habe ich Kinder und Jugendliche mit verschiedensten Verhaltensauffälligkeiten beraten und sie auf ihrem Weg zu ihren eigenen Zielen begleitet. Ich bin auch für die Teamberatung der ErzieherInnen, die in den Wohngruppen arbeiten, zuständig gewesen. Viel Spaß gemacht haben mir die verschiedenen Gruppenangebote, die ich mit meiner Kollegin anbot. Das soziale Kompetenztraining, verpackt als abenteuerliche Schatzsuche, kam bei den Kindern und Jugendlichen besonders gut an. Ich habe es zu schätzen gewusst, in der Regel um 17 Uhr Feierabend zu haben und all die Sorgen und Probleme, die im Arbeitsalltag auftraten hinter mir lassen zu können. Und trotzdem hat mir nach einigen Jahren irgendwie was gefehlt. Es kam mir seltsam vor, mich nach der Arbeit den „schönen Dingen des Lebens“ zu widmen – es mir mit meinem Mann in unserer schönen Wohnung gemütlich zu machen, schick essen zu gehen, FreundInnen zu treffen – während die Kinder und Jugendlichen nach wie vor in ihrer Wohngruppe „feststecken“, ihre Familien vermissen und mit harten Problemen zu kämpfen haben.

Die Sehnsucht mit Menschen zu leben und nicht nur für Menschen zu arbeiten, die nicht in so einer glücklichen Situation sind, wie ich es bin, wurde immer größer. Verstärkt wurde dieser Wunsch, als wir in Berlin für zwei Wochen in einer Gemeinschaft mit lebten, in der verschiedenste Menschen wohnen, um ihr Leben miteinander zu teilen: Obdachlose, Menschen ohne Papiere, Priester, Arbeitende… Der Lebensstil war dort sehr einfach und gleichzeitig so ehrlich und solidarisch. So stießen wir bei unserer Suche nach Leben in Gemeinschaft und Solidarität auf Brot & Rosen. Wir sind, einige Monate nachdem wir hier eingezogen sind, sehr glücklich über die Entscheidung, von Süddeutschland nach Hamburg gezogen zu sein.

Manuel: In Gemeinschaft zu sein, war für mich immer sehr wichtig! Zunächst war das eine tolle Jugendgruppe unserer Pfarrgemeinde. Nach der Schulzeit bin ich nach Irland gegangen, um in einer Archegemeinschaft (von Jean Vanier) zu leben und zu arbeiten. Ich wollte versuchen, mein Christsein ganz konkret im Alltag zu leben. Durch das Leben teilen mit Menschen mit Behinderung und mit Leuten aus der ganzen Welt, habe ich viel über mich und über Leben-in-Beziehungen gelernt. In der Archegemeinschaft ist mir klar geworden, wie wichtig es für mich ist: nicht einfach für andere zu sorgen, sondern miteinander zu leben. Heute würde ich es ein Jahr der Menschwerdung nennen.

Während meines Theologietudiums habe ich ein weiteres Jahr in einer Archegemeinschaft in der Schweiz mitgelebt. Im Rückblick auf diese herausfordernde und wunderschöne Zeit würde ich es als ein Jahr „Große Exerzitien im Alltag“ beschreiben. Menschen mit einer geistigen Behinderung helfen mir, einfach zu leben, spontaner und direkter zu sein, andere willkommen zu heißen mit offenem Herzen, aber auch Trauer oder Wut einfach zu zeigen. Die Arche hat mich gelehrt, mit anderen in Berührung zu sein und mich von anderen berühren zu lassen.

Vor ein paar Jahren hab ich dann etwas entdeckt, was mich bis heute berührt und verändert: Exerzitien auf der Straße. Üblicherweise sind das 10tägige Kurse in „Respektvollem Sehen und Hören“ mitten in der Stadt. Während dieser Zeit versuchen die TeilnehmerInnen aufmerksam zu werden, wohin Gott sie führen will, um dem Leben neu zu begegnen. Doch darüber erzähle ich vielleicht in einem der nächsten Rundbriefe mehr.

Durch all diese Erfahrungen in meinem Leben ist eine starke und tiefe Sehnsucht gewachsen: nach dem Abenteuer von Gemeinschaft, für die Fragen nach Solidarität und Gerechtigkeit und in all dem für Gottes Gegenwart. Kirche ist für mich eine Gemeinschaft von Menschen, die miteinander unterwegs sind, um Glauben und Leben zu teilen. In den Fußspuren Jesu sind wir gesandt, gemeinsam an Gottes Reich mitzubauen: für ein Leben in Beziehung mit Gott und untereinander, in prophetischer Solidarität mit Menschen am Rande, in einem ökumenischen Geist für Gerechtigkeit und Frieden.

Die letzen vier Jahre habe ich als katholischer Theologe gearbeitet. Ich war als Seelsorger und Jugendarbeiter in der Gemeinde, sowie als Religionslehrer in der Berufsschule engagiert. Und auch wenn ich viele dieser Aufgabenbereiche gerne begleite und dafür arbeite, so sind doch viele Fragen und Zweifel in meinem Herzen aufgekommen...

Anne und Manuel: Nach den ersten Wochen im Haus der Gastfreundschaft fühlen wir uns unglaublich wohl hier! An einem Wochenende waren wir beispielsweise mit unserer Mitbewohnerin aus Honduras Radfahren üben im Sonnenschein. Sie kann es eigentlich, traut sich aber nicht mehr. Das war einfach schön, gemeinsam unterwegs zu sein und ihr Mut zu machen! Und danach haben wir in einer benachbarten Kirchengemeinde die Reste eines großen Büffets abgeholt und hatten alle miteinander ein Festmahl. Und wenn wir nicht gerade kochen, putzen, uns um die Gemüseecke kümmern, spielen, diskutieren, Filme schauen, lachen, weinen oder albern sind, dann gibt es außerhalb des Hauses viele viele Möglichkeiten, uns sinnvoll für Andere zu engagieren. Wir gehen regelmäßig zu einem Infoabend für Flüchtlinge, wo es um die zahllosen Aspekte des deutschen Asylrechts geht. Das macht ein Rechtsanwalt, denn eine Sozialarbeiterin hat uns erzählt, dass das Asylrecht neben dem Sozialrecht zu den kompliziertesten in Deutschland gehört. Und donnerstags gehen wir ins Café Exil, eine unabhängige Beratungsstelle gegenüber der Ausländer­behörde, die MigrantInnen berät und bei Behördengängen begleitet oder zu Anwälten vermittelt; seit ein paar Wochen arbeite ich (Manuel) dort mit. Wir haben die UnterstützerInnen der sogenannten Gästewohnungen kennengerlernt. Dort lebt z.B. eine afghanische Familie mit drei Kindern, eine Tochter hat eine offene Lippe. Sie braucht medizinische Hilfe und kann nur schwer reden und gilt als schwierig in der Schule. Die Familie könnte gut eine regelmäßige Begleitung brauchen. Wir waren mit anderen zusammen das erste Mal in der Abschiebehaft für Flüchtlinge: Das ist eine Abteilung in einem "normalen" Gefängnis, in das die Ausländerbehörde Menschen reinsteckt, die sie abschieben will, aber nicht kann. Und da warten die Menschen dann Wochen und Monate, wie es für sie weitergeht. Der Ägypter, mit dem wir lange gesprochen haben, hatte z.B. gerade eine neue Arbeit angefangen, aus der er jetzt herausgerissen wurde.

Wenn wir dafür achtsam sind, dann sind das große Spannungen, in denen wir uns bewegen – zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Aber in dieser Lebensweise steckt so viel Sinn und Freude und Kraft, dass wir das meistens gar nicht so erleben und einfach das Glück des Lebens in Gemeinschaft genießen.



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