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Flöte und Bass statt Hetze und Hass
von Lebenslaute, 12. August 2024 Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Antifaschist*innen, liebe Zuhörer*innen, liebe Lebenslautis, wir stehen hier vor dem Haus mit der Aufschrift „Volkshaus“ – das sieht so nett und harmlos aus: ein eher kleines Häuschen, hübsch bemalt, angeblich für das Volk. Aber die Polizei in Thüringen hat im Dezember 2022 diesen Ort als einen der vier gefährlichsten Orte des Bundeslands eingestuft. Hinter diesen Mauern gingen und gehen militante und gewalttätige Nazis ein und aus, versuchen, Jugendliche für sich zu gewinnen, vernetzen und schulen sich ideologisch, trainieren das Töten von Linken und Menschen, die nicht in ihr braunes Weltbild passen, organisieren Konzerte und andere Events. Hier ist der Treffpunkt von „Die Heimat“, also der Ex-NPD, der Identitären Bewegung, des rechten Rocker-Milieus, der sogenannten „Atomwaffen-Division“, der Eisenacher Nazi-Kampfsportgruppe knockout51 und vermutlich noch von anderen ähnlichen Gruppierungen. Wir haben uns nach interner Diskussion dazu entschlossen, heute und hier ohne Anmeldung zu musizieren, um gegen die Existenz dieses Nazi-Zentrums zu protestieren. Denn Angehörige der Polizei in Eisenach und Beamt*innen des Staatsschutzes informierten in der Vergangenheit die Nazis dieses Zentrums hier in kameradschaftlicher Verbindung nachweislich z.B. über bevorstehende Hausdurchsuchungen oder Verhaftungen. In diese Behörden haben wir kein Vertrauen. Wir legen keinen Wert auf direkte Konfrontation, weder verbal noch kampfsportlich. Und Rechtsrock sollte Beethoven nicht übertönen können! Vor einigen Wochen ging ein Prozess gegen die Gruppe knockout51 zu Ende. Diese Gruppe von 10 – 20 Nazis beschaffte sich seit 2021 Waffen und trainierte unter anderem das Schießen und gezielte Töten. Damit flog sie schließlich auf. Am 1. Juli verhängte das Oberlandesgericht Jena gegen vier Nazi-Aktivisten der Gruppe Urteile, die von Kritiker*innen als „Freifahrtscheine für Nazis” gewürdigt wurden. Alle vier verurteilten Nazis befinden sich inzwischen wieder auf freiem Fuß: Die Bundesanwaltschaft hatte wegen illegalem Sprengstoff- und Waffenbesitz, Plänen zum Morden an Linken, Migrant*innen, Polizist*innen, schwerer Körperverletzung die Gruppe als terroristische Vereinigung eingestuft. Das Gericht wies diese Einstufung zurück und verurteilte die Angeklagten zu maximal zweieinhalb Jahren Haft. Wie auch immer man den Willen und die Möglichkeiten einschätzt, mit den Mitteln staatlicher Repression und der Justiz überhaupt gegen Nazis vorzugehen: dieses Urteil wirkt auf keinen Fall „abschreckend“. Unsere Aktion setzt sich deshalb zum Ziel, die antifaschistischen und demokratischen Strukturen vor Ort zu stärken und wir danken voller Bewunderung und Solidarität denjenigen, die diesem Nazi-Zentrum für Mord und Totschlag seit Jahren die Stirn bieten! Lebenslaute ist ein seit 1986 arbeitendes Netzwerk von Musiker*innen, die klassische und andere Musik mit Aktionen zivilen Ungehorsams verbinden. So wie hier und jetzt stören wir mit unserer unangemeldeten, vielleicht illegalen, auf jeden Fall aber immer legitimen Präsenz und mit den Mitteln der Musik und der Rede den gewohnten reibungslosen Ablauf an Orten, von denen eine Bedrohung für Menschenleben ausgeht: vor Atommülldeponien und der Waffenschmiede Rheinmetall, im Braunkohletagebau bei Lützerath und vor dem Bundesamt für Verfassungsschutz, auf der Baustelle der A100 durch Berlin, in einem Flüchtlingslager und vor Abschiebebehörden. Unsere Jahresaktion 2024 verbindet Orte miteinander, die den massiven gesellschaftlichen Rechtsruck thematisieren, den wir seit einigen Jahren erleben. Heute stehen wir hier unangemeldet vor diesem Nazitreffpunkt mit seiner mörderischen Bedeutung und Agenda. Morgen spielen wir um 15:15, der Stunde der Befreiung am 11. April 1945, vor der Gedenkstätte Buchenwald und abends im Gemeindezentrum Paul Schneider in Weimar-West, das nach einem in Buchenwald ermordeten evangelischen Pfarrer und Antifaschisten benannt ist. Diese beiden Orte sind für uns historische Orientierungspunkte. Sie zeigen uns und unserem Publikum die Notwendigkeit, auf allen Ebenen gegen Faschist*innen aktiv zu sein: Buchenwald erzählt uns bis heute - wenn es möglich war, sich unter den Augen der SS im KZ antifaschistisch zu organisieren, politisch tätig zu werden, sich sogar zu bewaffnen und im entscheidenden Moment die SS in die Flucht zu schlagen – dann ist auch heute nichts unmöglich. Zugleich weisen wir darauf hin: Nicht nur die AfD ist gefährlich. Der Rechtsruck in Deutschland spielt sich im gesamten politischen Spektrum ab. Nach der Wahl des FDP-Politikers Kemmerich mit den Stimmen von AfD, FDP und CDU im Jahr 2020 sehen wir keinerlei Grund, CDU und FDP zu vertrauen, nicht doch mit der AfD gemeinsame Sache zu machen. Auch den Parteien der Ampel aus FDP, GRÜNEN und SPD, den Parteien der „Zeitenwende“ vertrauen wir nicht: Wir sehen, dass die Bundesrepublik keine Naziregierung braucht, um einer der größten Waffenexporteure weltweit zu sein oder anzukündigen, man werde künftig „endlich im großen Stil abschieben“ (Olaf Scholz). In der Friedensfrage, beim Umgang mit Geflüchteten und beim Klimaschutz, z.B. der so bitter notwendigen umfassenden sozial und ökologisch gerechten Verkehrswende: überall gehört die von den Ampel-Parteien zu verantwortende Politik zu dem, wogegen wir uns solidarisch und entschlossen positionieren, so wie jetzt und hier. Unsere Aktionswoche steht in einem Zusammenhang – dem Zusammenhang des weltweiten gesellschaftlichen Rechtsrucks. ... „Die AfD macht die Hetze – die Regierungen in Bund und Ländern die Gesetze“ – leider stimmt das voll und ganz. Am 19.4.1945 schworen die überlebenden Häftlinge von Buchenwald auf dem Appellplatz des ehemaligen Lagers: „Die Zerschlagung des Nazismus mit seinen gesellschaftlichen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel!“ Aus dem unauflöslichen Zusammenhang dieser beiden Sätze hören wir: erst, wenn die Wurzeln des Faschismus ausgerissen sind, ist der Aufbau einer friedlichen und freien Welt möglich. Geschieht das nicht, ist eine Rückkehr des Faschismus jederzeit möglich – und wir sehen auch hier in Thüringen, wie wahr das ist! Die gerade benannten menschenverachtenden Ideologien und Handlungen, die auch in diesem Haus hier hinter uns ihren Ort haben – sie haben eine gemeinsame Wurzel: die kapitalistische Gesellschaftsordnung. Nicht nur der Ort, an dem wir hier stehen, nicht nur Thüringen oder Deutschland - die gesamte Menschheit ist heute Schauplatz eines eskalierenden Kampfes. Auf der einen Seite stehen die, deren menschenverachtendes Programm „Weiter so!“ heißt – ein „Weiter so!“, dass immer sicherer Krieg, Faschismus und Untergang für die Grundlagen der menschlichen Zivilisation bedeuten wird. Auf der anderen Seite die, die überleben, die ohne Klimakatastrophe, Krieg und koloniale Unterdrückung in Gleichheit und Selbstbestimmung leben und Glück für ihre Mitmenschen und sich selber aufbauen wollen. ... Die mächtigsten Akteure dieses „Weiter so!“ mit Klimazerstörung, Ausbeutung, Rassismus und Krieg sind derzeit nicht offene Nazis, sondern das breite Spektrum politischer Kräfte, dessen Gemeinsamkeit darin besteht, die kapitalistischen Wurzeln aller der erwähnten globalen Probleme nicht infrage stellen zu wollen. Dieses Problem steht nicht zufällig bei keiner Wahl zur Wahl – und es ist wohl auch nicht in Wahlen zu lösen. Gemeinsam mit allen, die gegen Faschismus, Krieg und die Zerstörung der natürlichen Grundlagen menschlicher Zivilisation, gegen alle Formen der profit- und machtgetriebenen Herrschaft von Menschen über Menschen kämpfen, gemeinsam mit denen, die für Demokratie und Frieden aktiv werden, sind wir Teil dieser globalen Auseinandersetzung. ■ Die ungekürzte Rede sowie alles weitere zur Jahresaktion 2024 ist auf der Internetseite der Lebenslaute zu finden. https://www.lebenslaute.net/?page_id=10275 |
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