Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
Arbeit für Frieden und Gerechtigkeit
Gastfreundschaft für Flüchtlinge
Leben in Gemeinschaft
Laudatio

Herbert Schmalstieg rechts im Bild, in der Mitte Birke Kleinwächter und Dietrich Gerstner

Dr. h. c. Herbert Schmalstieg, Oberbürgerbürgermeister der Landeshauptstadt Hannover a. D.

... anlässlich der Preisverleihung der Sievershäuser Ermutigung am 09. Dezember 2012 an DiaMiPa und Brot & Rosen. Die folgende Rede hielt der ehmalige Oberbürgermeister von Hannover, Dr. h.c. Herbert Schmalstieg, der sich für diesen Anlass extra frei nahm vom SPD-Bundesparteitag. Wir wünschen uns noch mehr solcher weitsichtiger Menschen in der SPD, gerade auch hier in Hamburg!

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, lieber Klaus, Herr Hülser, Frau Fähndrich, meine sehr verehrten Damen und Herren,
Ich darf mich zunächst sehr herzlich bedanken für die Einladung. Ich bin gern nach Sievershausen gekommen und gern in diese Dokumentationsstätte, weil hier seit mehr als drei Jahrzehnten eine aktive Friedensarbeit geleistet wird, gestaltet wird und ich auch viele Frauen und Männer kenne, die hier in dieser Dokumentationsstätte, im Antikriegshaus gearbeitet haben und ganz besonders natürlich Herr Pastor Klaus Rauterberg. Und ich denke auch an Rufus Flügge, den ich als Superintendenten erlebt habe, der in der Anfangsphase hier durchaus Erstaunliches und Erhebliches geleistet hat. Und ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube insbesondere mit Herrn Rauterberg habe ich eines gemeinsam: Ab und zu war uns der Verfassungsschutz auf den Spuren, wenn wir irgendwie etwas gesagt haben oder getan haben gegen den Krieg und für den Frieden. Wir wurden immer in eine linke, fast kommunistische Ecke gestellt und das hat die Arbeit nicht leichter gemacht, aber hat uns alle gemeinsam ermutigt.

Dass Sie hier in der Dokumentationsstätte zum 12. Mal den Friedenspreis „Sievershäuser Ermutigung“ verleihen, das ehrt Sie, glaube ich, in ganz besonderer Weise. Und wir haben eben gehört, wie die Bandbreite war derjenigen Organisationen oder der Einzelpersönlichkeiten, die hier bisher ausgezeichnet worden sind. Und wenn es in diesem Jahr um Menschen geht, die ausgezeichnet werden, die sich um Menschen ohne Papiere kümmern, oder um andere, Hamburger, die sich dafür einsetzen, mit Flüchtlingen zusammen zu leben, dann ist das, glaube ich, gerade in dieser heutigen Zeit mehr als wichtig.

In der Ausschreibung heißt es zu Recht:„Kein Mensch ist illegal“. Und wir alle leben als Menschen – wir alle sind nicht illegal – wir alle leben als Menschen in dieser „einen“ Welt. Und jeder von uns hat das Recht, auf dieser Welt zu leben, ob er Papiere hat oder ob er keine Papiere hat. Und keiner weiß, wie viele Menschen es gibt ohne Papiere: Bei uns in Deutschland, in Europa und auf dieser einen Welt. Hunderttausende sind es – mit Sicherheit -, die bei uns leben, im Verborgenen, ohne Rechte, ohne Schutz, sie werden ausgenutzt und sie werden ausgebeutet, oft zu Straftaten gezwungen oder auch zur Prostitution. Umso wichtiger ist es, durch diese Preisverleihung auf diesen unerträglichen Tatbestand aufmerksam zu machen. Und deswegen will auch ich den Preisträgern, dem Projekt DiaMiPa des Diakonischen Werkes in Hannover und der Christlichen Basisgemeinschaft Brot & Rosen aus Hamburg gratulieren.

Sie haben - beide Gruppen - sich um die Menschlichkeit verdient gemacht. Eigentlich könnte ich es mir jetzt ganz leicht machen und den bereits hier verlesenen Begründungen nichts hinzuzufügen, außer nochmals Dank zu sagen.

Aber, meine Damen und Herren, ich will ein paar Bemerkungen machen: Ich habe von der „einen Welt“ gesprochen, in der wir leben. Für mich bedeutet das, dass wir uns - jeder Einzelne von uns – auch so verhalten müssen, dass wir das anerkennen, dass wir in dieser einen Welt, in der wir leben, leben.

Können wir es hinnehmen, dürfen wir es dulden, dass 1,2 Milliarden Menschen auf unserer Erde in Armut leben? Da wird manch einer sagen: Das ist ja weit weg, das ist in Asien, das ist Afrika, Lateinamerika - auch bei uns, hier in Deutschland, leben 15,1 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsschwelle; in den größeren Städten sind es 20 bis 25 %). Ich will das jetzt nicht weiter ausführen, aber wir müssen uns weiter fragen, ob wir damit leben können, dass täglich 30.000 Kinder an Hunger sterben oder weil es für sie keine Medikamente gibt? Was sagen wir zu den Kindersoldaten und dazu, dass mehr als 43 Millionen Menschen auf der Flucht sind oder in einer flüchtlingsähnlichen Situation sind? Von den Kriegen in Afghanistan, Syrien, in Palästina, in Mali will ich hier gar nicht sprechen.

Und dabei hatten wir doch alle so große Hoffnungen im September des Jahres 2000, als 189 Staats- und Regierungschefs auf dem Millenniumsgipfel in New York einen konkreten Plan für eine bessere, ein gerechtere und eine sichere Welt verabschiedet haben. Was ist daraus geworden? Von heute an gerechnet in 633 Tagen, am 01. Januar 2015, werden, nicht nur die Regierungschefs, sondern werden alle politisch Verantwortlichen –vielleicht auch jeder Einzelne von uns - gefragt werden: „Was hast Du getan, um diese Ziele zu erreichen?“ Wenn es um die Bekämpfung der Armut auf der Welt geht? Um die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rolle der Frauen, um die Bekämpfung von Aids/HIV? Ist es hinzunehmen, dass 37 Millionen Erwachsene und 2,2 Millionen Kinder weltweit mit Aids leben? Oder wird bis 2015 die Säuglingssterblichkeit erheblich gesenkt, und gibt es bis zu diesem Termin die Primarschulbildung für alle? Fragen über Fragen, die Antworten stehen noch aus. Ich befürchte, wenn kein Wunder geschieht, werden uns die Antworten in diesem Januar 2015 nicht zufrieden stellen können.

Betrachten wir die Lage auf unserer Erde, dann darf es uns nicht gleichgültig sein und es darf uns doch auch nicht wundern, dass es heute aus unterschiedlichen Gründen Menschen gibt, die sich auf den Weg in eine andere, für sie bessere Welt machen. Wobei wir auch wissen, dass 80 bis 85 % der Flüchtlinge keine großen Wege zurücklegen können. Sie bleiben entweder im eigenen Land oder in dem Nachbarland. Viele von denen, die es geschafft haben, ihr Land zu verlassen, die kommen nicht an, weil sie auf dem Mittelmeer oder auf dem Atlantik, wenn sie sich von der afrikanischen Küste auf den Weg zu den Kanaren machen, kentern und umkommen. Und die Flüchtlinge, die bei uns in Europa Schutz suchen, kommen überwiegend, wie wir wissen, aus nicht-europäischen Ländern.

Das Asylrecht, um das es hier auch heute geht bei dieser Auszeichnung, gehört für mich zu den uneingeschränkten Menschenrechten. Und die sind ja in Europa mehrfach verankert: in der Europäischen Menschenrechtskonvention des Europarates und in der EU-Charta der Grundrechte, die Teil des Lissabonner Vertrages ist. Und ich es hätte es mir sehr gewünscht, wenn es eine europäische Verfassung gegeben hätte, die diese und andere Rechte verankert. Und natürlich muss und will ich auch verweisen an dieser Stelle auf das Grundrecht des Asyls in § 16 a unserer Verfassung. Leider – und das will ich auch hinzufügen - ist dieses von den Müttern und Vätern des Grundgesetzes 1949 verabschiedete, formulierte, uneingeschränkte Recht auf Asyl in den letzten Jahren immer wieder verwässert worden, was ich auch heute erneut kritisiere, was dort an Einschränkungen gemacht worden ist. Natürlich gibt es noch das Recht für politisch Verfolgte auf Asyl, aber jeder, der in diesen Bereichen, in diesen Themenfeldern arbeitet, weiß, welche Hürden da aufgebaut worden sind und auch nicht überwunden werden können. Aber dennoch ist dieses Grundrecht für unser Bemühen, Menschen, die politisch verfolgt werden, zu helfen, eine gute Grundlage. Wir wissen auch, dass das leider nicht in allen EU Staaten so ist, deshalb plädiere ich nachdrücklich für ein europäisches Recht auf Asyl für politisch Verfolgte, das der Würde des Menschen entspricht, wie es im Artikel 1 unserer Verfassung festgeschrieben ist.

Immer wieder wird das Thema der Zuwanderung und/oder auch der Zufluchtnahme nach Europa problematisiert oder auch zu politischen Propagandazwecken missbraucht. Wenn im vergangenen Jahr etwas mehr als 300.000 Asylanträge in den EU Staaten gestellt worden sind (in den 38 europäischen Staaten waren es 441.300; 53300 in Deutschland, 56.000 in Frankreich), ist das eine Zahl, die uns nicht umwirft. Bei 502 Millionen Einwohnern der europäischen Unionsmitgliedstaaten sind das keine 0,07 %. Ich wiederhole das: 0,07 %. Und dann soll das gleichgesetzt werden mit dem „Untergang des Abendlandes“! Es ist auch nichts Neues, wenn es um die Zufluchtnahme nach Deutschland geht. In den ersten drei Jahrzehnten waren es vor allem Flüchtlinge aus Osteuropa, aus den Ostblockstaaten, denen – zu Recht - die Zuflucht generös gewährt wurde. Sie erhielten sogar ab 1966 ein Aufenthaltsrecht auch unabhängig von asylrechtlichen Prüfungen. Nun hat sich die Situation in Osteuropa geändert und die Menschen, die politisch verfolgt, diskriminiert werden oder aus Gründen von Armut und Not heute zu uns kommen, stammen vorwiegend aus dem nahen Osten, aus Afrika oder aus asiatischen Staaten.

Sie alle, ganz gleich aus welchen Gründen sie zu uns kommen, haben für mich das Recht auf eine Prüfung der Gründe ihrer Flucht, und zwar eine uneingeschränkte Prüfung.

Unsere Preisträger kümmern sich um eine besondere Gruppe von Zuwanderern: um Menschen, die in Angst vor Entdeckung und Abschiebung leben. Ich arbeite nicht in diesem Feld, aber ich weiß, wovon ich spreche, weil ich einige Menschen versucht habe zu betreuen, die zu mir kamen, weil ich Mitglied der Härtefallkommission des Landes Niedersachsens bin. Diese kamen mit der Frage: „Wie können wir das regeln?“ Und im Prinzip ist das nicht zu regeln. –Weil Innenministerien, insbesondere dieses hier in Niedersachsen, der Auffassung sind: ‚Ohne Pass ist nichts zu machen, und wer keinen Pass hat, den gibt es nicht, der hat bei uns nichts zu suchen!‘ Ich sage das mit meinen Worten, aber so empfinde ich das, wenn man dort mit den Damen und Herren des Hauses spricht. Ich glaube, es wird an der Zeit sein, dass wir ihnen diese Angst nehmen, diesen Menschen. Aber wir können ihnen Angst nur dann nehmen, wenn es auch für sie Rechte gibt, dass ihre Kinder zur Schule gehen, dass ihre Kinder ungehindert in eine Kindertagesstätte gebracht werden können und dass ihre Kinder auch die Chancen haben, ein Bildungsangebot zu erfahren, damit sie, wenn sie z. T. seit Jahren und Jahrzehnten (längere Jahre bei uns sind,) dann eine Chance haben, hier unsere Sprache zu sprechen, aber auch ein Bildungsangebot haben. Und es muss auch Möglichkeiten geben, dass die Menschen legal arbeiten dürfen. Ich frage: Wer nimmt sich ihnen ohne wenn und aber an? In einer Zeit, wo die Diskussion um Zuwanderung und Asylrecht grundsätzlich geführt werden müsste und wir ein neues Ausländerrecht haben müssten, das auch den Namen „Recht“ verdient. (Applaus)

Natürlich – das wissen wir alle und jeder kennt das - gibt es viele der bei uns lebenden EinwohnerInnen mit Migrationshintergrund, die voll integriert sind, die vielfältige berufliche Fähigkeiten haben, die sich engagieren in Vereinen und Verbänden; aber viele Menschen, insbesondere Menschen mit arabischer oder afrikanischer Herkunft, haben diese Chancen nicht oder nicht genutzt und sind dann die Zielscheibe dieser diskriminierenden Debatten. Die aktuelle Debatte um die Flüchtlinge aus Serbien und Mazedonien, die überwiegend Angehörige der Roma-Minderheit dort in deren Länder sind, geht einher mit einer pauschalen Verurteilung der Roma. Ich bitte Sie, mich nicht falsch zu verstehen: Ich glaube nicht, dass wir in Deutschland jede Roma-Familie bei uns aufnehmen können, aber die Debatte anzuheizen, wie es der Bundesinnenminister Friedrich mit Vorwürfen, wie „Asylmissbrauch“ oder „Einschränkung der Visafreiheit“ ausgelöst hat, löst nicht das Problem, sondern – ich nenne das so: Das schürt den Rassismus.

Die Lage dieser Menschen muss gelöst werden. Was die EU Kommission dazu gesagt hat [dass Roma in den Balkanländern einer umfassenden Diskriminierung ausgesetzt sind. Und: im November 2011 hat das oberste Asylgericht in Frankreich festgestellt, dass die Lebensbedingungen der Roma in Serbien menschenunwürdig sind und dass daraus ein Schutzstatus gewährt werden muss.], ist hier bereits zitiert worden. Und wir müssen uns, glaube ich, stark machen dafür, dass - was durch diese Äußerungen durchklingt - Rassismus und Fremdenfeindlichkeit weder in unserer Republik noch irgendwo auf der Welt einen Platz haben dürfen. Und wenn es zu Übergriffen, Anschlägen und Morden führt, dann müssen mehr als Warnlampen in unserem Lande blinken. Dass die NPD mit ihrem Verhalten gegenüber Ausländern Rassismus und Fremdenfeindlichkeit schürt, ist unverkennbar. Wenn die Bundesländer offensichtlich Beweismittel gegen die Verfassungsfeindlichkeit dieser Partei haben, dann ist es richtig, dass sie diesen Verbotsantrag gegen diese Partei beim Bundesverfassungsgericht stellen. Das ist ein Zeichen für eine wehrhafte Demokratie. Und ich finde es beschämend, wenn Innenminister Friedrich an der Entscheidung der Länderkammer erneut herum mäkelt. Erstaunlich finde ich auch, dass die Bundeskanzlerin auch zu dieser Frage noch keine abgeschlossene Meinung hat und der Bundestagspräsident ein Verbotsverfahren ablehnt. Dieses Verhalten, meine Damen und Herren, ist Wasser auf die Mühlen der Verfassungsfeinde. Und deswegen sollten der Bundestag und auch die Bundesregierung diesem Verbotsantrag beitreten.

Wenn es um Ausländer- und Asylrecht geht, müssen wir daran erinnern, dass alle EU Staaten sich in der Genfer Flüchtlingskonvention zum Schutz von Flüchtlingen verpflichtet haben. Doch wir wissen auch, dass es in der Wirklichkeit in vielen Fällen anders aussieht. Ich kann aus Zeitgründen darauf nicht näher eingehen. Aber wir müssen anerkennen, dass Flucht kein Verbrechen ist und wir müssen die Diskriminierung beenden!

Um mit eigenen Worten den isländischen Schriftstellsteller und Nobelpreisträger Halldór Laxness wiederzugeben: Dieser hat in seiner Selbstbiographie ‚Der große Weber von Kaschmir‘ , ich glaube 1926 oder 1928, geschrieben: ‚Die Afrikaner werden Europa erobern! Und wenn wir ihnen nicht das geben, was wir ihnen vorenthalten, dann kommen sie, um es sich zu holen.‘ Ich will damit sagen: Das Thema der Flüchtlingsbewegung ist doch zu einem großen Teil auch darin begründet: Auf der einen Seite die politisch Verfolgten, auf der anderen Seite Menschen, die nicht wissen, wie sie vor Hunger in den Schlaf kommen, und deswegen sich auf den Weg machen in andere Länder, wo ihnen Sicherheit gegeben wird. Das gehört auch zur Menschenwürde, satt zu werden, meine Damen und Herren. Deswegen, glaube ich, ist es –ich wiederhole mich – wichtig, dass wir ein anderes und neues Ausländerrecht bekommen.

Als langjähriges Mitglied der Härtefallkommission des Landes Niedersachsen erwarte ich, dass das Land Niedersachsen sich dafür einsetzt, zu Veränderungen zu führen. Erfreulicherweise wird der Innenminister am Montag die Mitglieder der Härtefallkommission erneut berufen für die nächsten drei Jahre. Ich kann nur hoffen, dass eine Landesregierung - eine neue Landesregierung [die Regeln für] diese Härtefallkommission drastisch ändert, weil das, was wir dort zum Teil erleben, nicht einfach ist, um es höflich auszudrücken. Und ich erwarte, dass das Land Niedersachsen sich dafür einsetzt, langjährig in unserem Land lebende Migrantinnen und Migranten so auszustatten, dass sie ein Aufenthaltsrecht erhalten, dass ältere, kranke, behinderte Menschen, dass alleinerziehende Mütter einen besonderen humanitären Schutz erhalten. Und ich erwarte auch, dass diese sogenannte ‚Residenzpflicht‘ abgeschafft wird und das Arbeitsverbot aufgehoben wird. Da erlebt man manchmal in der Härtefallkommission abenteuerliche - rechtlich korrekte - Hinweise: ‚Zwei Straftaten!‘ Bei näherer Nachfrage, wenn das vor 6 oder 7 oder 8 Jahren war – so lange liegen die ja schon zurück – dann das Argument gegen die Anerkennung eines Härtefalls: ‚Verstoß gegen die Residenzpflicht‘. Meine Damen und Herren, wir haben Freizügigkeit in Europa und wir haben hier Residenzpflicht für Flüchtlinge, manchmal auf den Landkreis beschränkt, in einigen Bereichen aufs Bundesland. Das kann und darf nicht sein, das muss abgeschafft werden, wie es ja auch zuletzt die Synode der EKD gefordert hat! Und ich fordere auch die Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Höhe der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

Wir brauchen einen besseren Zugang zu den Bildungseinrichtungen für Kinder von Flüchtlingen und andere Regelungen für eine baldmöglichste Arbeitsaufnahme der Flüchtlinge. Und wenn man manchmal erlebt, dass Familien, die 10, 20 Jahre oder länger hier leben, deren Kinder hier geboren sind, abgeschoben werden sollen, dann frage ich mich: ‚Wo leben wir eigentlich?!‘ Da muss etwas faul sein – nicht im Staate Dänemark, sondern im Staate Deutschland! Und - ich bitte das nicht falsch zu verstehen – wir kommen ja gerade von einer Veranstaltung und ich stimme Peer Steinbrück voll zu, wenn er sagt, dass Kinder, die in Deutschland geboren werden - wie es in anderen Ländern auch der Fall ist - , die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen sollen – ganz gleich, welchen Status ihre Eltern haben. Das kann ich nur nachdrücklich unterstützen! Das sind Fremde, wenn die in ein anderes Land abgeschoben werden, meine Damen und Herren!

Die Härtefallkommissionsverordnung ist zwar erst vor wenigen Monaten erneut verändert worden, dennoch hoffe, dass eine neue Landesregierung und ein neuer Landtag diese Verordnung schnellstens neu fasst. Entscheidungen müssen mit einfacher Mehrheit gefasst werden können. Und, wenn es eine Integrationsministerin gibt, muss diese auch in Fragen der Einbürgerung, des Aufenthaltsrechts und in Härtefallfragen das Sagen haben. (Applaus)

Für mich – und ich sage es noch einmal - ist es unerträglich, dass Menschen, die zum Teil 20 Jahre oder länger in unserem Land leben, keine gesicherten Aufenthaltsstatus haben. Oder Familien auseinander gerissen werden, wie im Fall Gazale Salame. Vor acht Jahren wurde die damals schwangere Kurdin – Sie kennen das alle - Gazale Salame mit ihrer einjährigen Tochter in die Türkei abgeschoben, als der Vater die älteren Geschwister zur Schule brachte. Für mich ein unerträglicher und nicht zu überbietender Skandal, eine Schande. Nun nach acht Jahren – das ist im Landtag beschlossen worden - soll vor Weihnachten und vor dem nahen Januartermin alles gut werden. Gazale Salame soll zurückkehren. Ich finde das gut! Ich hoffe, dass die Familie wieder zusammen findet! Aber: mussten es acht Jahre Trennung sein? Ich sage: Wo ein Wille ist, wäre auch ein Weg gewesen. Man kann nur hoffen, dass es bessere Zeiten geben wird.

Unsere Gesellschaft hat zu lange nicht wahrhaben wollen, dass wir ein Einwanderungsland sind. Nicht nur aufgrund der demografischen Entwicklung brauchen wir Zuwanderung - jetzt und auch in Zukunft.

Es wird erlaubt sein, hier auf eine bemerkenswerte Broschüre hinzuweisen, die der Caritasverband für die Diözese Hildesheim herausgegeben hat: Die Broschüre „PASSTSCHO“. Diese Broschüre enthält Kinderbriefe an den jetzigen und an den vorangegangenen Ministerpräsidenten. Die Kinder fragen, warum ihre Mitschüler abgeschoben werden sollen und sie erhalten entweder keine oder keine verständliche Erklärung.
Ich finde, zurecht haben die Verfasser dem Broschürentext einen Satz von Papst Johannes Paul II. vorangestellt: „Jeder muss sich um das Wachstum einer reifen Kultur der Aufnahme bemühen, die der gleichen Würde aller Menschen und der pflichtgemäßen Solidarität der Schwächeren Rechnung trägt und deshalb erfordert, dass jedem Einwanderer die Grundrechte zuerkannt werden.“

Denn es ist richtig: Niemand verlässt ohne Grund seine Heimat. So denkt auch seit vielen Jahren Alejandro Solalinde in Ixtepee in Mexiko. In seiner Herberge „Hermanos en el Camino“ gibt er Flüchtlingen aus den benachbarten Staaten Mittelamerikas Zuflucht, - sie kommen über die Grenze; und manche kommen auch nicht an, weil sie von den Zügen herunterfallen oder auch von der Drogen-Mafia gekidnappt und missbraucht werden, Frauen entführt werden. Er gibt, Alejandro Solalinde, er gibt diesen Flüchtlingen Zuflucht, er schützt sie, bevor sie auf den nächsten Zug klettern in Richtung Norden, um in die Vereinigten Staaten von Amerika zu kommen. Das ist etwas, vergleichbar mit dem, was auch unsere Preisträger hier tun. Und ich wünsche mir, dass es viele solche Pfarrer wie Alejandro Solalinde gebe.

Meine Damen und Herren, es geht um Menschen und es geht um ihre Rechte, es geht um jene, die oft keine eigene Stimme haben. Wir müssen ihnen eine Stimme geben. Denn - wie heißt es in der Einladung zu der heutigen Veranstaltung: Wir wollen mit dieser Ehrung auch daran erinnern, dass der Einsatz für die Menschenrechte nicht nur in den fernen Ländern notwendig ist, sondern auch vor der eigenen Haustür, also auch hier bei uns. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und gratuliere in ganz besondere Weise den Preisträgern!



Mittragen

Unsere Gastfreundschaft für obdachlose Flücht­linge wird erst mög­lich durch Spenden und ehren­amtliche Mitarbeit
weiter...

Mitfeiern

Hausgottesdienste, Offene Abende und immer wieder mal ein Fest: Herzlich will­kommen bei uns im Haus der Gast­freund­schaft
weiter...

Mitbekommen

Möchten Sie regel­mäßig von uns hören und mit­bekommen, was pas­siert? Abonnieren Sie am besten unseren kosten­losen Rundbrief
weiter...

Mitleben

Immer wieder fragen uns interessierte Menschen, ob und wann sie uns be­suchen kommen können. Wir freuen uns sehr über dieses Inter­esse.
weiter...