Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
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Leben in Gemeinschaft
Gesundheit für alle?!

Karfreitag 2010, Bahnhofshalle Hamburg

von Christiane Wiedemann und Milli Schröder / Juni 2010

Seit 10 Jahren erinnern wir mit dem „Kreuzweg für die Rechte der Flüchtlinge“ an die Situation von Flüchtlingen in unserer Gesellschaft. Dieses Jahr zogen wir von der Hauptkirche St. Katharinen durch die belebte Innenstadt nach St. Georg. In der Einkaufszone trug Christiane Wiedemann, die sich im Hamburger „Medibüro“ für die Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Papiere engagiert, im Wechsel mit Milli Schröder folgenden Text vor.

Die Spitalerstrasse, wo wir jetzt stehen, führte mehrere Jahrhunderte lang zum Krankenhaus vor den Toren der Stadt. Heute sind für zehrtausende in Hamburg lebende Menschen der Zugang zum Krankenhaus und die Inanspruchnahme unseres Gesundheitssystems äußerst problematisch, da sie keine gültigen Aufenthaltspapiere haben.

Das Medibüro – Medizinische Beratungs- und Vermittlungsstelle für Flüchtlinge und MigrantInnen – setzt sich für das Grundrecht auf medizinische Versorgung für alle in Hamburg lebenden Menschen ein und vermittelt medizinische Hilfe für Menschen ohne Papiere. Hier ein paar Situationen aus dem Medibüro-Alltag der vergangenen drei Monate:

Es geht um einen hier in Hamburg auf dem Bau arbeitenden Mann. Aufgrund von Bauchschmerzen geht er durch Freunde vermittelt zu einem Arzt. Dieser empfiehlt, ins Krankenhaus zu gehen, da es sich um eine Appendizitis – „Blinddarmentzündung“ – handeln könnte. Da der Mann keine gültigen Aufenthaltspapiere und keine Krankenversicherung hat, wartet er trotz Schmerzen einige weitere Tage bis er sich entschließt, ins Krankenhaus zu gehen. Dort wurde festgestellt, dass es inzwischen keine einfache Appendizitis mehr war, sondern bereits die Bauchhöhle betroffen war. Damit keine Meldung an eine Berhörde erfolgte, ließen Kollegen bereits in der Notaufnahme alles verfügbare Geld als erste Rate da. Das Krankenhaus fragte bereits drängend, wie die weitere Bezahlung erfolgen solle.

Mit dem bereits 1976 von der BRD ratifizierten UN-Sozialpakt wurde aber doch auch dem Artikel 12 zugestimmt, das Recht eines jeden auf das für ihn und sie erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit anzuerkennen. Warum muss jemand mehr als 30 Jahre später immer noch Angst haben, bei einer Blinddarmentzündung ins Krankenhaus zu gehen, nur weil er keine Aufenthaltspapiere hat?

Eine Frau, seit vielen Jahren in Hamburger Privathaushalten tätig, wird in die Notaufnahme gebracht, nachdem ein Auto sie angefahren hatte. Sie nennt einer dolmetschenden Krankenschwester ihren Namen und ihre Angst, da sie keine gültigen Aufenthaltspapiere hat. Innerhalb kurzer Zeit taucht die Polizei in der Notaufnahme auf, unterhält sich mit Ärzten und Pflegepersonal und durchsucht die Tasche der Frau. Am Entlassungstag, einige wenige Tage nach der Operation des Bruchs, während die Frau auf ihre Entlassungspapiere wartet, kommt die Polizei auf die Station, und holt die Frau, die noch nicht selbständig gehen kann, ab zur Polizeiwache. Dort werden Fingerabdrücke genommen. Die Frau ist fassungslos, fühlt sich – so sagt sie später – als sei sie nach vielen Jahren in Deutschland auf einmal eine Kriminelle....

Aber nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift vom 18.09.2009 ist doch klar geregelt, dass sowohl das medizinische Personal als auch die Abrechnungsstellen der Krankenhäuser zum schweigepflichtigen Personenkreis gehören! Dann machen sich doch die strafbar, die die Polizei rufen!

K. ist 6 Jahre alt. Sie wurde in Hamburg geboren, allerdings hat sie keine Geburtsurkunde, weil ihre Mutter juristisch gesehen keinen legalen Aufenthaltstitel hat. Inzwischen geht sie hier auch zur Schule. Erst jetzt, nachdem Bekannte sie dazu ermutigt haben, kommt die Mutter mit K zum Medibüro und fragt an, ob auch für K eine augenärztliche Behandlung möglich sei. Das gravierende Schielen von K ist nicht zu übersehen. Doch K hat keine Papiere und ist nicht versichert, formal gibt es sie noch nicht einmal.

Aber was ist mit der UN-Kinderrechtskonvention, die in Deutschland am 5. April 1992 in Kraft getreten ist?

Artikel 24: Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit an sowie auf Inanspruchnahme von Einrichtungen zur Behandlung von Krankheiten und zur Wiederherstellung der Gesundheit. Die Vertragsstaaten bemühen sich sicherzustellen, dass keinem Kind das Recht auf Zugang zu derartigen Gesundheitsdiensten vorenthalten wird.

Artikel 7: Das Kind ist unverzüglich nach seiner Geburt in ein Register einzutragen und hat das Recht auf einen Namen von Geburt an, das Recht, eine Staatsangehörigkeit zu erwerben.

Auch Frau M. unterstützt mehrere HamburgerInnen pflegerisch. Kürzlich wurde bei ihr selbst eine insulinpflichtige Diabetes-Erkrankung festgestellt. Fr. M. beschäftigt nun die Frage: Wie und wo kann sie zum Diabetologen gehen? Und vor allem: Wird es möglich sein, das mehrmals täglich benötigte Insulin und die Teststreifen für das mehrfach tägliche Blutzuckermessen zu organisieren?

Frau M. ist in Lebensgefahr, wenn sie nicht fachärztlich behandelt wird und ihr tägliches Insulin erhält. Hat sie ein Recht auf Zugang zum Gesundheitssystem???

Jeder Mensch hat Rechte. Und auch die Leute, die hier ohne gesicherten Aufenthaltsstatus leben, nehmen sich ihre Rechte in vielen Fällen, z.B. indem sie ihre Kinder zur Schule schicken oder indem sie ihr Recht auf Bezahlung ihrer Arbeit einklagen. Wie die Beispiele zeigen, ist jedoch das Recht auf Gesundheit in Hamburg ein Privileg, das vor dem Hintergrund der zunehmenden Ökonomisierung des Gesundheitssystems immer weniger Menschen – ob mit oder ohne Aufenthaltsstatus – zur Verfügung steht. Es ist eine politische Entscheidung: Wollen wir in einer Stadt leben, die vielen, die Teil unserer Gesellschaft sind, ihr Recht auf Gesundheit verweigert?

Neben der politischen Arbeit organisiert das Medibüro medizinische Hilfe durch ein Netzwerk aus Ärztinnen, PhysiotherapeutInnen und weiteren in Gesundheitsberufen tätigen Menschen, und vermittelt gegebenenfalls rechtliche Beratung. Um Untersuchungen, Labor, Behandlung, Medikamente und Hilfsmittel zumindest teilweise finanzieren zu können, ist das Medibüro auf Spenden angewiesen.

Spendenkonto: Hamburger AK Asyl e.V.

Stichwort: Medizinische Flüchtlingshilfe

Postbank Hamburg, BLZ: 200 100 20, Ktonr: 621976-209



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