Diakonische Basisgemeinschaft in Hamburg
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Aus-Zeit

Großdemo gegen Atomkraft in Hamburg am 26.3.: Über 50.000, bundesweit sogar 250.000 - die größte Anti-Atom-Demo aller Zeiten, ein unübersehbares Zeichen!

von Dietrich Gerstner / April 2011

In Riesenschritten gehen wir auf Ostern und damit auch auf eine gemeinschaftliche Sabbatzeit von etwa 4 Monaten Dauer zu.

Unser aktuelles Leben in der Gemeinschaft ist zunehmend vom Blick darauf geprägt. In unserer regelmäßigen Supervision und in der geistlichen Begleitung besprechen wir, wie wir diese besondere Zeit gestalten wollen und was wir persönlich sowie gemeinschaftlich klären wollen.

Nachdem wir schon im letzten Rundbrief diesen Schritt angekündigt hatten, sind wir sehr erfreut über den positiven Zuspruch, der uns von vielen unserer LeserInnen und FreundInnen entgegen kommt. Das ermutigt uns sehr und bestätigt uns darin, uns nach vielen Jahren des kontinuierlichen Dienstes gemeinschaftliche Zeit für Reflektion und etwas Erholung zu erlauben. Gleichzeitig ziehen nach und nach unsere aktuellen MitbewohnerInnen aus, und das Haus wird immer ruhiger.

Ein Durchbruch

Aber jetzt mal der Reihe nach:

Anfang Dezember des vergangenen Jahres ließen wir die Wand zwischen unserem Esszimmer und dem bisherigen Ess-Küchenbereich durchbrechen. Zuvor gab es hier zwar auch schon eine Tür, aber das große Esszimmer war verhältnismäßig wenig genutzt. Von dieser Veränderung versprechen wir uns eine bessere Nutzung unserer knappen Räumlichkeiten. Mit diesem Durchbruch ergeben sich ganz neue Perspektiven – zumindest was diesen nun großen, Licht durchfluteten, farblich freundlichen Raum angeht.

Nach der Weihnachtszeit verschickten wir im Neuen Jahr unsere Spendenquittungen verbunden mit unserem kleinen Dankeschön – einige Suppenrezepte von (ehemaligen) MitbewohnerInnen aus unserem Hause. Damit trafen wir offenbar den Geschmack von vielen SpenderInnen, bekamen wir doch selten so viele Rückmeldungen auf unsere Jahresgabe. Ein Freund schrieb uns: „Die Rezepte-Sammlung hört sich gut an und sieht außerdem noch schön aus. Als ich sie meiner Familie gezeigt habe, rutschte mir unwillkürlich raus: "Guckt mal, was Brot und Suppen als Dank an die Spender geschickt hat!" J Wir werden sicherlich die eine oder andere Suppe mal ausprobieren...“ Solche Rückmeldungen freuen uns natürlich sehr – wie wir insgesamt an Rückmeldung zu Texten aus unserem Rundbrief oder zu Aktionen, zu denen wir einladen, interessiert sind.

Wie durch ein Wunder

haben mittlerweile alle langfristigen MitbewohnerInnen unseres Hauses eine neue Bleibe gefunden. Als wir unsere Auszeit im Oktober beschlossen, hofften wir natürlich, dass dies so kommen würde. Aber wir haben es ja über die Jahre schon so oft erlebt, wie mühselig und langwierig die Bemühungen um Veränderungen für unsere MitbewohnerInnen meist sind.

Noch vor Weihnachten feierte André nach beinahe 4 Jahren bei Brot & Rosen seinen Abschied. Er lebt nun in einer eigenen Wohnung in Mecklenburg-Vorpommern, bemüht sich um Arbeit bzw. Weiterbildungsmöglichkeiten, kämpft um die Anerkennung seines Berufsabschlusses aus Togo und hütet immer mal wieder unsere Kinder, wenn er uns gelegentlich besuchen kommt. Salome und ihr Sohn Nikolos zogen Ende Februar in eine eigene Wohnung im Nachbarstadtteil. Salome setzt ihr Studium der Sozialen Arbeit fort, während Nikolos weiter zur Schule geht, nachdem seine medizinische Behandlung, für die sie nach Deutschland gekommen waren, im Sommer erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Gleichzeitig mit den beiden erhielt Mehmet einen Platz in einer offiziellen Flüchtlingsunterkunft zugewiesen. Im Heim gefällt es ihm zwar nicht so gut, da die Verhältnisse dort beengt (ein Zweier-Zimmer auf einem langen, voll belegten Flur) und auch recht schmutzig sind. Aber es ist für seinen Kampf um ein geregeltes Aufenthaltsrecht besser, dort seinen Wohnsitz zu nehmen. Dafür kommt er regelmäßig zu Besuch ins Haus, backt sein knuspriges Fladenbrot und kocht hin und wieder ein leckeres Abendessen. Sina hat seit Mitte März eine neue Arbeit in Vollzeit außerhalb von Hamburg. Und auch bei ihren Aufenthaltspapieren zeichnen sich nach langen Mühen kleine Fortschritte ab, so dass wir gemeinsam mit ihr auf ein gesichertes Bleiberecht und Lebensperspektiven hoffen. Und selbst unsere „alte Dame“ Eleonora ist kürzlich mit Sack und Pack ausgezogen – über eine befreundete Kirche konnte sie endlich in eine eigene Wohnung ziehen. Nachdem sie zuletzt noch ein neues Bett erhielt, konnten wir getrost zu ihr sagen: „Und nun nimm Dein Bett und geh!“ Und auch wenn Eleonora die meiste Zeit ihres Mitlebens rastlos außer Haus unterwegs war, gab es einen tränenreichen Abschied. Es wurde uns deutlich, dass wir wirklich Familie für Eleonora geworden waren. Alles Gute für Euch alle!

Einerseits erfüllen uns manche dieser Veränderungen mit Wehmut, andererseits sind wir so dankbar, dass tatsächlich alle MitbewohnerInnen ein eigenes Zuhause gefunden haben.

So war sogar kurzfristig Raum für Neue.

Für ein paar Monate beherbergten wir einen jungen Musiker aus Ostafrika bei uns, der sich hier in Europa mit zäher Hoffnungskraft einen Ort zum Leben und Wirken sucht. Mittlerweile ist er weiter gezogen, um anderswo sein Glück zu suchen.

Über eine Kirchengemeinde wurde uns gleichzeitig eine vierköpfige afghanische Familie vermittelt, die sage und schreibe schon vier Jahre unterwegs ist, seit sie ihre kriegsbelastete Heimat verlassen hat. In einer wahren Odyssee sind die Vier über Iran, die Türkei und Griechenland, das ehemalige Jugoslawien und Ungarn auf oft abenteuerlichen Wegen bis nach Norddeutschland gekommen. Und das mit zwei Kindern, die heute 7 und 11 Jahre alt sind. Mit ihren Erzählungen bekommen die zahl- und namenlosen Flüchtlinge, über die mensch normalerweise in der Zeitung liest oder im Radio hört, ein Gesicht. Ich kann die Gefahren, ihre Ängste und Strapazen nur erahnen, wenn sie von tagelangen Fußmärschen über die Grenze in die Türkei oder von stürmischen Stunden im Schlauchboot in der Ägäis erzählen. Wie oft wurden sie unterwegs getrennt, und fanden doch immer wieder zusammen. Was für eine Kraft in diesen Menschen steckt, davor empfinde ich tiefen Respekt. Erfreulicherweise können auch sie Mitte April in eine kirchliche Wohnung umziehen, um dort auf den Fortgang ihres Asylbegehrens zu warten. Wir sind so froh, dass sich aktuell im Kirchenkreis eine große Bereitschaft entwickelt, gefährdeten Flüchtlingen Raum und Schutz anzubieten.

Unklar ist jetzt nur noch die Situation von Dejan, unserem befreundeten Wanderarbeiter aus Serbien, der einmal mehr bei uns, seiner „Familie“, vor der Tür stand. Er sucht dringend irgendwo ein Zimmer.

Ende Februar kam dann noch Jonathan aus den USA zu uns ins Haus. Er studiert aktuell Friedens- und Konfliktforschung in Marburg und wollte in seinen Semesterferien etwas Sinnvolles tun. Er brachte sich in diesen fünf Wochen so engagiert und kompetent bei uns ein, dass wir ihn bald zum „Ehrenfreiwilligen“ ernannten. Speziell für Familie Mohammadi war er ein toller Begleiter – sowohl für die Kinder als auch für die Erwachsenen. Zuvor schon besuchte uns Sabine aus Süddeutschland, die gleich mit vollem Elan für zwei Wochen einen Deutschbasiskurs mit der Familie machte.

Atomausstieg

Die fürchterlichen Ereignisse in Japan schockierten uns im Haus natürlich auch, wie so viele Menschen um uns herum. Kurz zuvor freuten wir uns noch mit den Menschen in Ägypten über die gewaltfreie Revolution gegen das System Mubarak, und dann bestätigte die Atomkatastrophe von Fukushima nach Erdbeben und Tsunami, unsere schlimmsten Befürchtungen über die Atomtechnologie: Genau 25 Jahre nach Tschernobyl erleben wir einen weiteren Super-GAU, und das, obwohl uns die Techniker weiß machen wollen, dass solch ein Unfall statistisch nur alle 25.000 Jahre passieren dürfte. Wir dürfen uns nun nicht mit einem politisch kurzfristig motivierten Moratorium von 3 Monaten für die ältesten Atommeiler abspeisen lassen (werden die eingesparten Strommengen eigentlich danach bei einem möglichen Wiederanfahren der Atomkisten wieder oben drauf geschlagen?!), wir brauchen einen kompletten Ausstieg aus dieser todbringenden Technologie, und zwar SOFORT. Politisch können wir uns alle an den aktuellen Demos und Aktionen beteiligen (siehe z.B. unter www.ausgestrahlt.de). Die Kampagne X-tausendmalquer bereitet für Mitte Juni gewaltfreie Blockaden direkt an den AKW-Standorten vor (www.x-tausendmalquer.de), um tatkräftigen Protest gegen das Wiederanfahren zu zeigen. Im Aktionsaufruf heißt es: „Wir sitzen die Atomkraft AUS – Du auch?“ Und letztlich bleibt mir noch wie gebetsmühlenartig zu wiederholen: Als KundInnen haben wir jederzeit die Möglichkeit zum persönlichen Atomausstieg – einfach den Stromanbieter wechseln und echten Ökostrom einkaufen (siehe www.atomausstieg-selber-machen.de).

Bomben fürs Vökerrecht?

Gleichzeitig bomben exakt 8 Jahre nach Beginn des Irakkriegs gegen Saddam Hussein wieder v.a. westliche Kampfflugzeuge gegen einen arabischen Diktator. Sicherlich ist der libysche Staatschef ein Despot und beherrscht auf menschenverachtende Weise sein Land. Diese Erkenntnis ist allerdings nicht neu und wurde u.a. von Menschenrechtsorganisationen schon betont, als es darum ging, mit EU-Geldern finanzierte Flüchtlingslager in Libyen zu errichten. Wurde Gaddafi jedoch noch bis vor kurzem um des Öls wegen und für die Flüchtlingsabwehr mit Geschäftsverträgen und Rüstungsverkäufen hofiert, soll er nun wieder die Ausgeburt des Bösen sein. Wie sich die Bilder nur gleichen. Vermutlich leiden am Ende nur die einfachen Menschen unter diesem Krieg. Stattdessen hätte die westliche „Wertegemeinschaft“ schon lange alle diplomatischen und wirtschaftlichen Mittel nutzen können, um Gaddafi ohne militärische Gewalt zu isolieren und ihm sein Amt schwer zu machen.

Auszeit

An Ostern erneuern wir Jahr für Jahr unsere Verbindlichkeiten als Gemeinschaftsmitglieder. Dieses Jahr freuen wir uns, dass Christiane Wiedemann nach einigen Jahren des gemeinsamen Lebens und Arbeitens in diese Verbindlichkeiten mit eintritt, im Wissen darum, dass diese kommende Auszeit auch Veränderungen mit sich bringen kann. Erika Fischer, unsere geistliche Begleiterin, und Fanny Dethloff, die Flüchtlings- und Menschenrechtsbeauftragte der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche, werden uns in unserem Gottesdienst am Ostermontag um 10 Uhr stärken und Gottes Segen für die kommende Zeit zusprechen. Wer uns bei diesem Schritt gerne begleiten mag, ist herzlich dazu eingeladen.

Von Ostern bis Ende August werden weder MitbewohnerInnen bzw. Gäste noch BesucherInnen oder Freiwillige / PraktikantInnen bei uns mitleben. Wir werden das Telefon und unsere Emails nur sehr unregelmäßig bedienen und bitten dafür schon jetzt um Verständnis. Wir brauchen eben eine Zeit ohne „business as usual“. Unterstützt durch Supervision und geistliche Begleitung wollen wir im Mai und August  Zeit für die Reflektion unserer Praxis bei Brot & Rosen haben. Der Juni und Juli sollen verstärkt für private Erholungszeiten und zum Kraft Tanken reserviert werden. Sicherlich werden unsere Kinder nach wie vor zur Schule gehen, und einige aus der Gemeinschaft werden weiterhin ihrer Erwerbsarbeit außer Haus nachgehen. Aber der gemeinsame Dienst im „Haus der Gastfreundschaft“ wird zur Ruhe kommen.



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