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Wer gefährdet die Sicherheit?

Ausschnitt der Titelseite der regionalen Rheinzeitung vom 3.9.20

Mahnwache am 2.9.20 für die Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrages am Amtsgericht Cochem vor dem Prozess gegen Dietrich Gerstner (2.v.l.)

von Dietrich Gerstner / November 2020

Anfang Juli 2019 nahm ich an einer internationalen Aktionswoche gegen Atombomben am Fliegerhorst Büchel in der Eifel teil. Bei zwei Spaziergängen rund um das Militärgelände fotografierte ich den Zaun sowie das Gelände. Feldjäger und Polizei stoppten mich auf offenem Feld und stellten meinen Fotoapparat sowie das Mobiltelefon sicher. Der Tatvorwurf lautete: „Sicherheitsgefährdendes Abbilden“ nach §109g Strafgesetzbuch. Nach meinem Widerspruch kam es am 2.9.2020 zu einem Strafprozess vor dem Amtsgericht Cochem. Wir dokumentieren hier Auszüge aus meiner Einlassung zu Person und Sache sowie das Plädoyer und Schlusswort im Prozess.

In Pforzheim, der Stadt meiner Kindheit, starben am 23.2.1945 innerhalb von 20 Minuten ca. 19.000 Bürger*innen in einem Bomben- und Flammeninferno. Die Erinnerung an diese Katastrophe blieb präsent, auch durch Erzählungen meiner Mutter, die das Inferno als Jugendliche erlebt hatte, und das öffentliche Gedenken – auch für Menschen wie mich, der ich 20 Jahre später geboren wurde.

In den 80er Jahren wurden tausende Atomwaffen aufgerüstet, auf sowjetischer Seite u.a. die Mittelstreckenraketen SS 20 und die Pershing II auf us-amerikanischer und damit westdeutscher Seite. Die Bedrohung durch einen Atomkrieg in Europa war real.

Es ließen sich mehrere Belege aufführen, wie oft wir von den 60er Jahren bis Mitte der 80er Jahre mehr Glück als Verstand hatten, dass es zu keiner atomaren Konfrontation kam. Angesichts dessen waren schon damals mein Engagement in der Friedensbewegung und meine Kriegsdienstverweigerung mit dem Zivildienst selbstverständlich für mich. Die Folge: ein Lebensstil, der sich an Gerechtigkeit, Frieden und Be-wahrung der Schöpfung orientiert – als Christ sage ich, ein Lebensstil, der sich an der Gewaltfreiheit Jesu von Nazareth orientiert.

Und so bin ich auch heute für eine solidarische Gesellschaft und gegen Rüstungsexporte und Atomwaffen politisch aktiv, bei Demonstrationen, durch Petitionen sowie mit Aktionen des Zivilen Ungehorsams.

Einlassung zur Sache:
Ja, ich habe fotografiert und das auch nie geleugnet. … Ich hatte am 6.7. bei einem Spaziergang entlang des Geländes weg vom Haupttor einige Male fotografiert, danach am 7.7., als ich mit dem Fahrrad eine Rundfahrt um das ganze Militärgelände unternahm. Ich fotografierte z.T. die Landschaft, also die Umgebung wie auch das darin eingebettete Militärgelände, einmal (am 6.7.) aus der Nähe zwei Fotos vom äußeren Sicherungszaun, also eigentlich einem Bauzaun rund um das Gelände.

Das ist im Übrigen meine Art, dass ich fotografiere, was ich erlebe. Ich bin kein Profi, aber es ist mir eine Angewohnheit, Erlebnisse zu dokumentieren – sei es eine Geburtstagsfeier, die Vorbereitungen für den großen ökumenischen Gottesdienst vor dem Bücheler Haupttor oder eben auch die Internationale Friedenswoche gegen Atomwaffen rund um Büchel. Ich tue das erst mal aus persönlichem Interesse, ohne schon im Vorhinein genau zu wissen, was ich mit all den Fotos machen werde. ...

Allerdings stimmt es, dass ich Teil der Internationalen Akti-onswoche war, mit der wir auf die wahre Sicherheitsgefährdung durch die Atomwaffen hinter dem Zaun aufmerksam machen wollten mit dem Ziel des Abzugs dieser Waffen und einer Beendigung der sog. Nuklearen Teilhabe Deutschlands im Rahmen der NATO, die wir für unrechtmäßig halten. Darum beteiligte ich mich am Morgen des 10.7. auch an dem Versuch, dem Stützpunkt-Kommandanten einen Brief zu überbringen, der die Illegalität der in Büchel stationierten Waffen benennt und zur Beendigung dieses Unrechts auffordert.

Aber jetzt zu meinen Fotos und dem Vorwurf, es handle sich um einen Straftatbestand nach §109g StGB:
„(1) Wer von einem Wehrmittel, einer militärischen Einrichtung oder Anlage oder einem militärischen Vorgang eine Abbildung oder Beschreibung anfertigt oder eine solche Abbildung oder Beschreibung an einen anderen gelangen lässt und dadurch wissentlich die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder die Schlagkraft der Truppe gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. …
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) 1Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Abbildung oder Beschreibung an einen anderen gelangen lässt und dadurch die Gefahr nicht wissentlich, aber vorsätzlich oder leichtfertig herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. ...“

Der ursprünglich angesetzte Prozesstermin am 1. April war eigentlich ganz passend, da es sich wie ein schlechter Aprilscherz anhört, wegen einiger m.E. belangloser Fotos einen Strafprozess zu haben! …

Kann ich durch einfache Fotos eines Außenzaunes und seiner offensichtlich angebrachten Sicherungseinrichtungen sowie durch Landschaftsaufnahmen in Büchel die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder die Schlagkraft der Truppe gefährden? Das kann nicht ernsthaft behauptet werden! …

Plädoyer und Schlusswort
75 Jahre Hiroshima und Nagasaki mahnen! Diese Atombombenabwürfe mit am Ende hunderttausenden Toten haben der Welt vor Augen geführt, dass Atombomben Waffen der Massenvernichtung sind, die nicht unterscheiden zwischen Kämpfenden und Zivilist*innen, sondern dass alle gleichermaßen vernichtet werden.

Die Rechtslage dazu ist eigentlich klar, klarer als die politische Lage: Wie kann ich für eine Handlung angeklagt werden, dass ich die Sicherheit gefährden würde, wo doch die eigentliche Sicherheitsgefährdung und das wirkliche Unrecht bei den illegalen und illegitimen Atomwaffen hinter dem Zaun und der dazu gehörigen Politik der Nuklearen Teilhabe liegt. Und darum sollte es eigentlich immer wieder gehen hier vor dem Amtsgericht Cochem – und nicht um „Sicherheitsgefährendes Abbilden“ oder in anderen Fällen um „Hausfriedensbruch“.

Das entspricht dem 2 + 4-Vertrag von 1990 "über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland", in dem sich die wiedervereinigte Republik verpflichtet hat, dass "von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird", auch indem Deutschland auf jegliche Verfügung über atomare Waffen verzichtet.

Der Internationale Gerichtshof hat 1996 entschieden, dass der Einsatz und die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen grundsätzlich völkerrechtswidrig sind. Und im Grundgesetz steht in Artikel 25, dass die Regeln des Völkerrechts "Bestandteil des Bundesrechts sind" und "Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebiets" erzeugen. Keine sogenannte Logik der Abschreckung kann die Rechtmäßigkeit von Massenvernichtungswaffen herstellen – Punkt.

Der Bundestag hatte schon am 26. März 2010 einen fraktionsübergreifenden Beschluss gefasst, dass die Bundesregierung sich für den Abzug der verbleibenden Atomwaffen aus Deutschland einsetzen und damit auf eine insgesamt atomwaffenfreie Welt hinarbeiten solle. Und eine aktuelle Greenpeace-Studie belegt, dass 92 % der Deutschen für den Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag sind. Und darum müssen wir als Bundesrepublik Deutschland den Atomwaffenverbotsvertrag der UNO von 2017 unterzeichnen, der eindeutig „verbietet, Atomwaffen zu entwickeln, zu testen, zu produzieren, zu transportieren, zu lagern, einzusetzen oder damit zu drohen.“ *

Papst Franziskus sagt, dass Atomwaffen unmoralisch sind! Unser bzw. mein Ziel ist es, mit zivilgesellschaftlichen Mitteln auf verschiedenen Ebenen zur Ächtung von Atomwaffen beizutragen, damit sie dann in Rüstungskontroll- und Abrüs-tungsmaßnahmen wirklich aus der Welt verbannt werden. Ein Ort dies zu tun, ist der Atomwaffenstandort Büchel, aber eben auch ein Gerichtssaal in Cochem.

Und jetzt zum Abschluss nochmals zum Straftatvorwurf:
Mein Smartphone und meine Kamera wurden am 7.7. „doppelfunktional sichergestellt“ wie es im Vermerk der Polizei heißt – d.h. präventiv und repressiv. … Es ging also nie wirklich um den tatsächlichen Charakter der Fotos und ob sie wirklich eine Sicherheitsgefährdung darstellen würden. Es war schlicht eine Möglichkeit, „repressiv“ vorzugehen und damit Verunsicherung und Einschüchterung bei mir und anderen zu bewirken. Insgesamt war im vergangenen Jahr festzustellen, dass auch das Camp der „20 Wochen gegen 20 Bomben“ verschiedenen Repressalien seitens Verbandsgemeinde, Kreisverwaltung und Polizei ausgesetzt war. Mit verschiedenen Mitteln wurde versucht, die Existenz des Friedenscamps zu erschweren bzw. zu verunmöglichen. ...

Ich sehe die Beschlagnahme meines Eigentums aufgrund eines Bagatelldelikts auf derselben Linie. Es ging um Repression, um Einschüchterung. Leider ist die Staatsanwaltschaft dieser Linie mit ihrer Anklageschrift gefolgt.

Nun obliegt es allerdings dem Gericht darüber zu entscheiden, ob mein Fotografieren „Sicherheitsgefährdendes Abbilden“ darstellt oder eben nicht.

Darum beantrage ich
- Freispruch gegen die Anklage der Staatsanwaltschaft und
- die Rückgabe meiner Kamera.

P.S.: Das Verfahren gegen mich wurde eingestellt. Meinen Fotoapparat mit den Bildern erhielt ich Ende Oktober zurück. Das Smartphone hatte ich ein Jahr zuvor bekommen.
* Der internationale Atomwaffenverbotsvertrag tritt nach der Ratifizierung durch den 50. Vertragsstaat im Oktober 20 am 22. Januar 2021 in Kraft – ein großer Erfolg der internationalen Zivilgesellschaften sowie der UN-Diplomatie. Deutschland hat den Vertrag in machtorientierter Bündnistreue zu den Atommächten USA, Frankreich und Großbritannien NICHT unterzeichnet.



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